Sanierung oder Abriss?

Das fragliche Wahrzeichen von Königshütte (Chorzów) ist außer Betrieb                                       

Anfang Juni überraschte die Nachricht, dass das Straßenviadukt über dem dortigen Marktplatz ab sofort gesperrt wird. Die Entscheidung sorgte für Verkehrschaos.

Am 2. Juni 2025 überraschte nicht nur die Einwohner von Königshütte (Chorzów) die Nachricht, dass das Straßenviadukt über dem dortigen Marktplatz ab sofort gesperrt wird. Die Entscheidung sorgte für Verkehrschaos. Über das Viadukt führt nämlich die viel befahrene Nationalstraße 79, die Woiwodschaftshauptstadt Kattowitz (Katowice) unter anderem mit Beuthen (Bytom) und Tarnowitz (Tarnowskie Góry) verbindet. Außerdem verlaufen unter diesem 700 Meter langen Bauwerk mehrere Straßen und Straßenbahntrassen sowie eine Eisenbahnlinie.

Der Konsequenzen seiner Entscheidung sei sich der Oberbürgermeister von Königshütte bewusst gewesen, doch eine andere Wahl habe er nicht gehabt. Daher beschloss er, das Viadukt und alle Durchfahrten unter ihm sofort zu sperren, hieß es in einer offiziellen Erklärung. Grund waren die Schlussfolgerungen aus dem im Auftrag der Stadt erstellten technischen Gutachten. Darin ist zu lesen, dass „die Überführung nicht tragfähig ist und versagen oder abstürzen könnte. Sie soll deshalb sofort außer Betrieb genommen werden, um den Zugang zu ihr dauerhaft zu verhindern“. 

Überraschte Autofahrer mussten nach Umwegen suchen und da sich unter dem Viadukt mehrere Straßenbahn- und Bushaltestellen befinden, wurde auch der öffentliche Verkehr stark beeinträchtigt. Relativ schnell wurden jedoch Umleitungen eingerichtet und neue Trassen für 20 Bus- und neun Straßenbahnlinien ausgearbeitet. Für Aufsehen sorgte die Information, dass bei der Errichtung des Objekts Stahl aus der DDR verwendet worden war. Vergleiche mit der eingestürzten Carolabrücke in Dresden ließen sich dadurch nicht vermeiden.

Marktplatz und Rathaus von Königshütte auf einer Postkarte aus dem frühen 20. Jahrhundert. Quelle: Wikimedia Commons

Die Königshütter Überführung wurde zwischen 1976 und 1979 erbaut. Die Idee, eine vierspurige Straße mit mehreren Ausfahrten auf einem 700 Meter langen Viadukt sieben Meter über dem Marktplatz zu führen, war freilich mehr als nur kontrovers. Doch in der Zeit des vermeintlichen Aufschwungs unter dem ersten Parteisekretär Edward Gierek wurden alle kritischen Stimmen unterdrückt. Mehrere Bürgerhäuser mussten abgerissen werden, um dem neuen sozialistischen Symbol der Stadt zu weichen. Der zentrale Platz von Königshütte verlor dadurch weitgehend seinen Charakter.

Die Überführung in der Innenstadt von Königshütte. Quelle: www.karta.tarnowskiegory.pl

Das Schicksal des Bauwerkes ist noch unklar. Nach der Ansicht der Bauaufsichtsbehörde in Kattowitz soll die Konstruktion des Viadukts gestärkt werden, so dass es möglichst bald dem Verkehr wieder freigegeben werden kann. Andere Pläne hat dagegen die Stadt. Sie kündigt nämlich an, die Überführung abreißen zu wollen, um dem Marktplatz seine traditionelle Funktion eines zentralen Platzes verleihen zu können. Soll der Plan der kommunalen Verwaltung verwirklicht werden, muss für die Nationalstraße 79 eine Umgehung errichtet werden. Im eng bebauten Industriegebiet kann sich das als ein höchst kompliziertes Vorhaben erweisen, für dessen Umsetzung man Jahre brauchen wird.

Text: Dawid Smolorz