Nach 26 Jahren wird Gleiwitz/ Gliwice einen neuen Stadtpräsidenten haben.
Bei der vorgezogenen Wahl am 5. Januar erhielt der parteilose, liberale Kandidat Adam Neumann über 51 Prozent der Stimmen und siegte somit im ersten Wahlgang.
Der Triumph Neumanns ist als Bestätigung der bisherigen Politik zu betrachten. Denn nicht nur hatte er in den letzten Jahren das Amt des Vizestadtpräsidenten inne, sondern wurde als Kandidat vom bisherigen Oberbürgermeister Zygmunt Frankiewicz vorgeschlagen und im Wahlkampf von ihm unterstützt. Da Frankiewicz – der am längsten amtierende Stadtpräsident Polens (1993–2019) – bei der Parlamentswahl im Herbst vergangenen Jahres in den Senat der Republik Polen gewählt worden war, musste eine vorgezogene Wahl durchgeführt werden. Der frühere Stadtpräsident genießt in Gleiwitz hohes Ansehen und gilt als einer der Väter des Erfolgs dieser zweitgrößten Stadt Oberschlesiens. Bereits in den frühen 1990er Jahren erkannte die kommunale Verwaltung von Gleiwitz, dass die Tage der oberschlesischen Schwerindustrie gezählt waren. Sie setzte daraufhin konsequent auf moderne
Industrie und richtete westlich der Innenstadt eine Sonderwirtschaftszone ein, in der sich bald mehrere Unternehmen ansiedelten, unter anderem das GM Opel-Werk. Dass Gleiwitz und das Gleiwitzer Land selbst in den schwierigen 90er Jahren und in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts zu den Gegenden mit dem niedrigsten Arbeitslosenanteil in der Region gehörten, ist zweifelsohne zu einem großen Teil diesem gut durchdachten Projekt zu verdanken. Aber auch abgesehen davon gilt Gleiwitz seit vielen Jahren als eine vernünftig regierte Stadt.
Der Wahlkampf in Gleiwitz war kurz, aber recht interessant. Nach Frankiewiczs Umzug nach Warschau ernannte der polnische Premierminister im Oktober 2019 einen kommissarischen Stadtpräsidenten. Zur Überraschung vieler wurde es aber kein Funktionär der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), sondern Janusz Moszyński, der seinerzeit nicht nur als Vertreter der Bürgerplattform (PO) das Amt des Marschalls der Wojewodschaft Schlesien bekleidet hatte, sondern zwischen 1998 und 2006 auch Vizestadtpräsident von Gleiwitz gewesen war. Im Wahlkampf distanzierte sich Moszyński zwar von der PiS-Partei, der er die Stelle des kommissarischen Oberbürgermeisters verdankte. Da aber die Gruppierung Jarosław Kaczyńskis
keinen eigenen Kandidaten aufstellte und auch keinem ihre Unterstützung aussprach, empfanden viele Wähler den kommissarischen Stadtpräsidenten doch als inoffiziellen Vertreter der Konservativen, die im liberal gesinnten Gleiwitz unter eigenem Schild nie größere Triumphe gefeiert hatten.
Am 5. Januar sprachen sich die Gleiwitzer für die Fortsetzung der bisherigen kommunalen Politik aus, indem mehr als die Hälfte der Wählerinnen und Wähler bei dem Namen Neumann ein Kreuz machten. Moszyński erhielt 25 Prozent der Stimmen, die übrigen parteilosen Kandidaten KajetanGornig und Andrzej Gillner 18 bzw. 5 Prozent der Stimmen.
Text: Dawid Smolorz
Foto: D. Nita-Garbiec