Vor 124 Jahren wurden die ersten Filme in Breslau und in Görlitz gedreht

Die Anfänge der Filmgeschichte in Schlesien verbinden Breslau und Görlitz

Die großen politischen Ereignisse des 19. Jahrhunderts dienten als Filmsujet.

Genau am 3. September 1896 kam nach Breslau François-Konstant Girel, ein Kameramann der Firma Lumière. Er erhielt den Auftrag, den Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. und des russischen Zaren Nikolai II. zu filmen. Von den fünf bis heute erhaltenen Filmen, die am 4., 5. September in Breslau und am 8. September in Görlitz gedreht wurden, kann man sich einen im Internet anschauen. Der Film zeigt die Enthüllung des Denkmals für Kaiser Wilhelm I., die am 4. September 1896 stattfand. Das Denkmal stand bis 1945 an der Schweidnitzer Straße. Heute befindet sich an seiner Stelle ein Denkmal für den ersten polnischen König Bolesław I. den Tapferen.

Bestimmt wird man über die Länge des Films staunen, aber man soll daran denken, dass die Erfindung des Kinematographen durch August und Louis Lumière erst ein Jahr zuvor stattfand. Und die erste Filmvorführung, auf die man Eintrittskarten kaufen musste, fand am 28. Dezember 1895 in Paris statt. Wenige Tage nach der ersten Vorführung traf Luis Lumière die verrückte Entscheidung, Kameramänner in jeden Winkel der Erde zu schicken, um „die Welt der Welt“ zu zeigen. 

Und so ging François-Constant Girel, ein Apotheker von Beruf, der sich über seinen Schwager mit den Brüdern Lumière verband, zuerst nach Deutschland, dann in die Schweiz, nach Frankreich, England, Italien und Japan, wo er über ein Jahr verbrachte.

In Breslau erwartete Girel eine unangenehme Überraschung: es stellte sich heraus, dass die Personen, die verantwortlich für die Erledigung der Erlaubnis für das Filmen der Enthüllungszeremonie waren, ihre Aufgabe nicht erfüllt hatten. Zum Glück wurde der französische Kameramann, der kein Deutsch sprach, von dem Sohn des Kölner Oberbürgermeisters unterstützt. Schließlich erhielt man die offizielle Genehmigung, die Zeremonie zu filmen, aber erst einige Tage später… Girel hat also die Enthüllung des Denkmals illegal gefilmt.

Die Aufnahmen wurden mit einer stationären Kamera von der Zuschauertribüne aus gemacht. Der Kinematograph war leicht und einfach zu bedienen. Er bot auch ein stabiles Bild ohne zusätzliche Unterstützung. Da er jedoch keinen Sucher hatte, musste man „auf gut Glück“ den Rahmen setzen. Der Kameramann hatte maximal 50 Sekunden Zeit, um die ganze Aufnahme fertig zu drehen. Und sie musste so eingestellt werden, dass das Wichtigste festgehalten wird. In dem präsentierten Video können Sie sehen, was für Girel am wichtigsten war: nicht die Enthüllung des Denkmals selbst, sondern der Kaiser, die Mitglieder des Ehrenkomitees und der Jubel der Menge.

Von dem 4. September gibt es drei Girel-Filme im Zusammenhang mit der Enthüllung des Denkmals für Wilhelm I.: „Die Ankunft des Kaiserpaares am Denkmalplatz“, „Enthüllung des Kaiser Wilhelm-Denkmals“, (diesen Film können Sie sich anschauen) und „Vorbeimarsch der Schill´schen Husaren“. Am 5. September, als der Zar von Russland Nikolaus II. in Breslau eintraf (aus diplomatischen Gründen erschien der Zar nicht am Tag der Enthüllung des Denkmals für Wilhelm I., den siegreichen Anführer der Kriege von 1870/71 und Schöpfer der deutschen Wiedervereinigung, sondern einen Tag später), filmte Girel Kaiser und Zar gleichzeitig. Und damit erfüllte er die Aufgabe, mit der er nach Breslau kam. Der vierte Film zeigt Kaiser Wilhelm II. und Zar Nikolaus II. bei der Rückkehr in die Stadt von Gandau (seit 1928 Teil von Breslau), wo eine Militärparade stattfand. 

Und am 8. September 1896 filmte Girel eine Parade in Görlitz, auf der Kaiser und Zar wieder zusammen anwesend waren: Der Film ist bekannt unter dem Titel: „Einzug J.J.M.M. des Deutschen und Russischen Kaisers zu Pferde“.

Alle diese Filme wurden dem breiten Publikum präsentiert: zum ersten Mal am 11. Oktober 1896 im Breslauer Konzerthaus in der ehemaligen Gartenstraße (nicht mehr vorhanden, während des Zweiten Weltkrieges zerstört). Die Breslauer konnten sich in den nächsten zwei Wochen daran erfreuen. Seit dem 3. November kamen auch andere, „Genrefilme“ dazu, die Girel während seines Aufenthalts in der niederschlesischen Hauptstadt gedreht hat (u.a. „Überfähre am Weidedamm“ und „Kinderschaukel am Weidedamm“). Wir wissen über sie aus der Breslauer Presse. Leider sind sie nicht erhalten geblieben. Aber wir können uns darüber freuen, was noch da ist. Denn das beweist, dass die Filmgeschichte in Breslau und in Görlitz vor 124 Jahren angefangen hat! Die Beschreibung und die Einzelheiten zu den Filmen finden Sie im Filmkatalog der Gebrüder Lumière.

Text und Foto (Nr.1): Małgorzata Urlich-Kornacka