Nein, ein Märtyrer ist er nicht, hat sein Leben für die Sache nicht hingegeben, starb keinen Heldentod.
Ein Held ist er für den Autor Leszek Jodliński trotzdem.
Kein Fähnchen im Wind sein, das ist es, was wir auch heute noch von ihm lernen können. Das zumindest sagt Autor Leszek Jodliński über den heute fast vergessenen Franz Pawlar (1909-1994), einen Pfarrer, der im Jahr 1935 seine Priesterweihe im oberschlesischen Plawniowitz (Pławniowice) empfangen hat. „Für mich ist er das Ideal eines Geistlichen“, sagt Jodliński. Acht Sprachen hat Pawlar fließend beherrscht, seine Überzeugungen hat er stets entschieden vertreten. Dazu gehört, dass er, als deutscher Patriot, als der er galt, in den 1930er Jahren die polnische Minderheit auf dem zum Deutschen Reichen gehörenden Gebiet Oberschlesiens unterstützte. Das hat ihn fünf Mal ins Gleiwitzer Gestapo-Gefängnis gebracht.
Ein besonderes Tagebuch
Wie sehr Jodliński den Pfarrer bewundert, merkt man ihm an. Ein enthusiastischer Ton liegt in seinen Worten. Er nennt Pawlar einen anonymen Helden Oberschlesiens. Denn kein Denkmal erinnert an ihn, keine Straße ist zu seinen Ehren nach ihm benannt. Doch eines gibt es: ein Tagebuch. Das Tagebuch des Franz Pawlar. Als ehemaliger Direktor des Museums in Gleiwitz ist Leszek Jodliński vielseitig kulturell und geschichtlich interessiert und so fällt ihm irgendwann Franz Pawlars Tagebuch in die Hände. Er liest darin, welch große und kleine Dinge Pawlar umtreiben, er liest von den Kriegswirren jener Zeit, aber auch von der engen Freundschaft zur Adelsfamilie Ballestrem. Während er Seite um Seite aufsaugt, wird ihm klar: Er möchte diesen beeindruckenden Mann und Pfarrer, den er durch die Tagebuch-Lektüre auch als einen begnadeten Schreiber kennenlernt, aus der Anonymität holen.
„Er hat es verdient“
Also übersetzt Jodliński das deutschsprachige Tagebuch ins Polnische und gibt es neu heraus. Dabei sei angemerkt, dass er mit einer Kopie arbeitet, denn Pawlars Original-Tagebuch ist verschollen. „Was damit passiert ist, ist unklar“, bedauert Jodliński. Lediglich zwei Abschriften des deutschen Originals gibt es noch, sie befinden sich in Benkowitz (Bieńkowice), Pawlars Geburts- und Sterbeort. Zwischen alten Fotos, die Pawlar in jungen Jahren zeigen, bewahrt Neffe Franciszek Korczuk sie in seiner Stube auf. Daneben alte Zeichnungen des künstlerisch begabten Pfarrers, aber auch Urkunden und Ausweise Pawlars, beispielsweise ein Dokument, aus dem hervorgeht, dass Pawlar nach dem Krieg die Kunstschätze aus dem Plawniowitzer Schloss, dem Stammhaus der Familie Ballestrem, verwaltet hat. Franciszek Korczuk freut sich sehr über den späten Ruhm des Onkels. „Er hat es verdient, er war ein wirklich guter und kluger Mann“, sagt der 73-Jährige.
Neuauflage in deutscher Sprache geplant
Ob aber dem Pfarrer so viel Aufsehen wohl recht gewesen wäre? Eine private Sache immerhin, so ein Tagebuch. Den wenigsten würde es wohl gefallen, würden ihre intimsten Gedanken an die Öffentlichkeit getragen. Noch eine andere pikante Sache kommt im Falle Pawlars hinzu: „Er nennt konkrete Personen mit ihrem vollständigen Namen, und die Art, wie er über sie schreibt, würde vielen von ihnen wohl die Schamesröte in Gesicht treiben“, sagt Jodliński. Nun, es ist wahr, dass die meisten von ihnen nicht mehr leben, so wie Pfarrer Pawlar selbst. Doch drohenden Klatsch und Tratsch in den Städtchen und Dörfern fürchten womöglich auch die Hinterbliebenen und Nachkommen. Jodliński hat deshalb deren Einverständnis erbeten und anlässlich des 75. Jahrestages der „Oberschlesischen Tragödie“) bereits eine zweite Auflage herausgebracht. Angesichts der Tatsache, dass es sich dabei um die polnische Übersetzung handelt, denkt Jodliński nun über eine deutschsprachige Neuauflage nach.
Text und Fotos: Marie Baumgarten
Infobox
Franz Pawlar wurde 1909 in Benkowitz (Bieńkowice) geboren und verstarb dort 1994. Als Pfarrer wirkte er in Plawniowitz (Pławniowice), aber auch viele Jahre lang in Kranowitz (Krzanowice). Sein Tagebuch ist in deutsch-polnischer Fassung bei silesia progress erhältlich.