Dreiländereck: Umgebindehäuser öffnen ihre Türen fürs Publikum

Die Architektur im schlesisch-lausitzer Grenzregion ist eine ihrer touristischen Stärken

Der Tag des offenen Umgebindehauses findet am 30. Mai 2021 statt. Teilweise auch virtuell.

Erstmalig fand der Tag des offenen Umgebindehauses im Jahr 2003 statt. Er war ein Versuch, das Phänomen der speziellen Bauweise im Grenzgebiet zwischen Schlesien und der Oberlausitz, heutzutage innerhalb dreier Staaten: Polen, Deutschland und Tschechischer Republik, einem breiteren Publikum zu präsentieren. Die von den Kolonisten aus den westdeutschen Ländern mitgebrachte volkstümliche Architektur des Fachwerkhauses, kombiniert mit dem Umgebinde der Vorgebirgsregion, wurde zum lokalen Markenzeichen, kopiert weit über die Grenzen der Oberlausitz hinaus. So entstand das heutige Umgebindeland, mehrere hundert Kilometer lang und mehrere Dutzend breit.

Ein prächtiges Umgebindehaus in Waltersdorf. Fot. A. Lipin.

An prächtigen Denkmälern mangelt es im oberlausitz-schlesischen Grenzgebiet nicht. Doch es sind die Umgebindehäuser, die zu einer Attraktion an sich geworden sind. Touristen assoziieren sie mit einer malerischen, idyllischen, rustikalen Landschaft, mit ruhigen Dörfern fernab der negativen Seite der Zivilisation. Natürlich hat diese Vorstellung mit der Realität wenig zu tun. Hinter der schönen Architektur verbergen sich die gleichen Probleme wie überall, oder vielleicht sogar größere. Viele dieser Dörfer, besonders in Niederschlesien, sind immer noch arme und vergessene Siedlungen. Umso wichtiger ist es, dass sie einmal im Jahr von Gästen besucht werden, die die alten, manchmal schimmeligen Häuschen im schwarz-weiß-karierten Muster sehen wollen.

Fachwerk- und Umgebindehäuser sind ein typisches Beispiel für ein schwieriges Erbe. Einerseits sprechen sie Touristen an, bringen Farbe in Orte, wo es viele von ihnen gibt, oder fokussieren die ganze Aufmerksamkeit auf sich, wenn sie einsam stehende Kleinode sind. Wie eine Zeitmaschine versetzen sie die Besucher oder Betrachter in eine idyllische Vergangenheit. Für die Bewohner sind sie eine anspruchsvolle Herausforderung, für viele sind sie eine Belastung, die sie gerne loswerden würden. Schließlich handelt es sich um Häuser aus einer vergangenen Zeit, als arme Siedler und Bauer von allem weniger hatten: weniger Größe (sie waren damals kleiner), weniger Ansprüche und weniger Zeit, die sie zuhause verbrachten. Sie entsprechen nicht den heutigen Komfortansprüchen, den Erwartungen des Durchschnittsbewohners. Nicht alle sind sensible Künstlerseelen, Regionalisten oder Freaks, die im Einklang mit der Natur leben möchten. Nicht jedes Umgebindehaus lässt sich in eine Kneipe, ein Gästehaus, einen Souvenirladen oder einen Handwerksbetrieb verwandeln. Als Denkmäler darf man sie nicht modernisieren, erweitern, geschweige denn abreißen.

Im polnischen Teil des Umgebindelandes ist diese Problematik besonders sichtbar. In den letzten 40 Jahren ist etwa die Hälfte der Häuser, die 1945 von den Deutschen übernommen wurden, verschwunden. Dieser Trend hält immer noch an, obwohl etwas abgeschwächt durch die Vorliebe der neuen Siedler in Schlesien (Flüchtlinge aus polnischen Großstädten) für die alte lokale Architektur. Die staatlichen Mittel für die Renovierung von Umgebindehäusern sind immer noch zu mager. Aus Warschauer oder gar Breslauer Perspektive sind das unbedeutende Denkmäler.

Es würde wohl helfen, wenn das Umgebindeland als UNESCO-Welterbe anerkannt würde. Die Aufnahme in die Liste würde nicht nur die Aufmerksamkeit von Touristen aus aller Welt auf die Häuser ziehen, sondern auch zu ihrer Pflege und Erhaltung beitragen. Vor allem würde es die Entscheidungsträger und Einwohner in Polen zu einem Perspektivwechsel zwingen. Die Umgebindehäuser könnten nicht mehr ignoriert werden. Leider sind die Bemühungen, den UNESCO-Status zu erlangen, ins Stocken geraten und es ist schwer zu sagen, ob die Häuser diese Ehre noch erleben werden.

Eines der Hindernisse ist das Fehlen eines gemeinsamen, koordinierten Vorgehens in Deutschland, Polen und der Tschechischen Republik. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wurde auf deutscher und polnischer Seite die Förderung der Fachwerkmarke von NGOs übernommen, die über europäische Mittel verfügten. Die Zusammenarbeit lief gut und ihre Effekte waren sichtbar. Mit dem Ende der Projektförderung kam das Ende der Aktivitäten. Und obwohl das Thema vom Zgorzelecer Verein mit dem Namen Dom Kołodzieja (Stellmacherhaus e.V., gegründet, um die Translozierung des Stellmacherhauses aus Weigsdorf/ Wigancice Żytawskie nach Zgorzelec zu unterstützen) angesprochen wurde, ist es bis heute nicht gelungen, ein gemeinsames Sekretariat für die Initiative einzurichten, die die Arbeit an der Idee eines Umgebindelandes über das ganze Jahr vorantreiben und nicht nur den Tag des offenen Umgebindehauses organisieren würde. Dabei braucht die geschaffene Marke Umgebindeland eine Verfestigung und Weiterentwicklung, um neue Menschen zu gewinnen, die konstruktiv mitarbeiten und sich neuen Herausforderungen stellen. Einzelne Menschen in jedem der drei Länder separat können eine solche Last nicht tragen.

Nach 18 Jahren brauchen sowohl der Tag des offenen Umgebindehauses als auch das gesamte Umgebindeland einen frischen Wind, einen neuen, zeitgemäßen Wurf. Obwohl es immer wieder Versuche gibt, den immer am letzten Sonntag im Mai organisierten Tag des offenen Umgebindehauses an verschiedenen Orten durch Picknicks, Workshops, Vorträge usw. zu beleben, sind sie zu verstreut, unkoordiniert und erreichen kein breites Publikum in der Region, vom überregionalen Publikum ganz zu schweigen. Andererseits bleibt der Tag des offenen Umgebindehauses die größte deutsch-polnisch-tschechische Netzwerk-Veranstaltung im Dreiländereck. Besondern im polnischen Teil des Umgebindelandes hat diese Veranstaltung eine große Bedeutung für die Entwicklung oder Verfestigung der regionalen Identität. Diese ist wiederum notwendig, um das kulturelle Erbe zu schätzen zu lernen und einen aktiven Beitrag zu dessen kreativer Fortführung zu leisten.

In diesem Jahr werden fast 30 Gastgeber ihre Häuser auf der polnischen Seite des Umgebindelandes am 30. Mai 2021 öffnen. Die Veranstaltung wird in hybrider Form stattfinden, ein Teil der Häuser steht wirklich offen, ein Teil präsentiert sich virtuell. Vielleicht wird dieser Aspekt, erzwungen durch die Pandemiesituation, dazu beitragen, das Format dauerhaft zu erweitern und die Umgebindehäuser weltweit bekannt zu machen.

Text: Arkadiusz Lipin
Übersetzung und Redaktion: Agnieszka Bormann

Weitere Informationen unter:
Stiftung Umgebindehaus – Tag des offenen Umgebindehauses 
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