Polnisch oder tschechisch, aber gleichzeitig deutsch
Nach 1945 fand in Oberschlesien eine groß angelegte Entdeutschungsaktion statt, die auch geografische Namen umfasste.
Nach 1945 fand im nun polnisch gewordenen Oberschlesien eine groß angelegte Entdeutschungsaktion statt, die nicht nur die Slawisierung von Vor- und Familiennamen und die Entfernung jeglicher deutscher Inschriften aus dem öffentlichen Raum umfasste, sondern auch die Änderung aller geografischen Namen. In dem letzteren Bereich ließ sich die Polonisierung meistens relativ einfach durchführen, weil die bisherigen offiziellen deutschen Ortsnamen entweder slawischen Ursprungs waren, wie Oppeln, Cosel und Groß Strehlitz, oder weil traditionell parallel deutsche und slawische Ortsnamen existierten, wie etwa Rosenberg–Olesno. Manchmal wurden jedoch als neue polnische Ortsbezeichnungen Namen eingeführt, die beim näheren Hinschauen eindeutig auf ihre deutsche Herkunft hingewiesen haben. Ein solcher Fall ist unter anderem das nordoberschlesische Kreuzburg – seit 1945 amtlich Kluczbork. Auch Rozbark – so der aktuelle polnische Name des Beuthener Stadtteiles Rossberg – ist von dem deutschen Original nicht weit entfernt.
Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Friedland im Kreis Neisse und Schönwald bei Gleiwitz zu Fryląd bzw. Szywałd umbenannt. Selbst das klang aber für die kommunistischen Entscheidungsträger zu deutsch, sodass noch in den 1940er Jahren für die beiden Ortschaften völlig neue Namen eingeführt wurden: Korfantów und Bojków. Im inoffiziellen Sprachgebrauch überdauerten in der Region mehrere deutsche Bezeichnungen für Siedlungen bzw. Teile von Stadtteilen, um nur Borisgwerk und Gagfah in Hindenburg/Zabrze oder die Arbeiterkolonie Kaufhaus im Norden des Rudaer Stadtteiles Friedenshütte/Nowy Bytom zu nennen. „Kaufhaus“ steht übrigens als Name einer Haltestelle im offiziellen Netzplan des Verkehrsverbundes der Metropolregion Kattowitz/Katowice. In Wieschowa/Wieszowa trägt wiederum eine Haltestelle den Namen „Waldhof“, womit an ein nicht mehr existierendes Gasthaus erinnert wird.
Im tschechischen Teil des Teschener Schlesien sind gleich mehrere Ortsnamen im amtlichen Gebrauch, bei denen sich ihr deutscher Ursprung mehr oder weniger eindeutig erkennen lässt. Hierzu gehören Rychvald (deutsch: Reichwaldau), Petřvald, (deutsch: Peterswald) oder Šenov (Schönhof). Die einstige Stadt Freistadt heißt heute offiziell Fryštát und bildet den zentralen Teil der Industriestadt Karwin/Karviná. Während die genannten Ortsnamen aus dem Teschener Schlesien trotz ihres unverkennbar deutschen Klanges nicht geändert wurden, beschlossen die tschechoslowakischen Behörden nach dem Zweiten Weltkrieg die Umbenennung von mehreren Städten und Dörfern in dem bis 1945 überwiegend von Deutschen bewohnten Troppauer Schlesien.
Offensichtlich waren den Beamten die bereits 1919 eingeführten tschechisierten, aber immer noch deutsch klingenden Namen ein Dorn im Auge. So wurde Freiwaldau, das bisher amtlich Frývaldov hieß, zu Jeseník, Zuckmantel – bis 1948 Cukmantl – zu Zlaté Hory und Friedeberg, bis dahin Frýdberk, zu Žulová. Interessanterweise gingen die Behörden in anderen Teilen der Tschechoslowakei mit dem deutschen Ortsnamensgut nicht so streng um. Bis heute findet man daher auf den Landkarten der Tschechischen Republik Städte wie Varnsdorf (deutsch: Warnsdorf), Šternberk (deutsch: Sternberg) oder Frýdlant (deutsch: Friedland in Böhmen).
Text: Dawid Smolorz