40. Jahre des Protests im Bergwerk „Piast“

Zwei Wochen unter Tage  

Nach der Verhängung des Kriegsrechts traten ca. 2.500 Bergleute aus der Neu Beruner Zeche „Piast“ in den Streik.

Er war die längste aller Protestaktionen, die nach der Verhängung des Kriegsrechts durch das kommunistische Regime General Jaruzelskis in Polen am 13. Dezember 1981 stattfanden. Von vielen anderen unterschied sie sich dadurch, dass sich die streikenden Arbeiter 650 Meter unter der Erdoberfläche befanden. Die Protestaktion begann nicht direkt nach der Bekanntmachung des Kriegsrechts. Die Empörung über die brutale Zerschlagung der Demokratisierungsprozesse war zwar in der Belegschaft groß, doch der Auslöser war erst die Nachricht, dass mehrere Solidarność-Aktivisten vom Bergwerk „Piast“ verhaftet worden waren. Da der vor allem aus Generälen der Polnischen Volksarmee gebildete „Militärrat der Nationalen Errettung“, der nun die Macht in Polen ausübte, keinen Verhandlungswillen zeigte, legten am 14. Dezember zunächst 300 Kumpels die Arbeit nieder. Im Laufe des Tages schlossen sich ihnen weitere große Gruppen an, sodass sich in den ersten Tagen die Zahl der Streikenden auf ca. 2.500 belief.

Bergwerk „Piast“, aktuelle Aufnahme. Quelle: Klaumich49, wikimedia commons.

Die Bedingungen unter Tage waren von Anfang an sehr schwer. Die Bergleute schliefen in unterirdischen Schalträumen, Werkstätten, Pumpwerken und sogar auf Förderbänden. Während des gesamten Protests sorgte ein Teil des technischen Personals für die Sicherheit der Arbeiter. Zudem wurde eine Art Wachschutz gebildet. Die Teilnahme am Streik war freiwillig. Wer nicht mehr teilnehmen wollte oder konnte, hatte jederzeit die Möglichkeit, die unterirdischen Korridore zu verlassen. Anfangs versorgten die über Tage tätigen Kollegen und indirekt auch die Familienangehörigen die Streikenden mit Lebensmitteln und Wasser. Später gelang es der Direktion des mittlerweile der Militärverwaltung unterstellten Werkes mit verschiedenen Mitteln, diese Unterstützung nach und nach einzuschränken. Gleichzeitig besuchten die Beamten des kommunistischen Sicherheitsdienstes die Familien der Streikenden, um sie einzuschüchtern und so zur Beendigung des Protests beigetragen. Weihnachten verbrachten noch ca. 1.300 Streikende unter Tage. Der Heiligabend stellte aber eine Wende dar. Die Versorgungslage war zum damaligen Zeitpunkt schon mehr als dramatisch. Die Bergleute hatten noch kaum Lebensmittel. Nach einem anderthalb Wochen dauernden Protest waren sie sowohl psychisch und körperlich extrem erschöpft. Die Entschlossenheit der Streikenden schwächten zudem die Nachrichten aus dem benachbarten Bergwerk „Ziemowit“ und dem Hüttenwerk „Katowice“. Die Belegschaften der beiden genannten Betriebe beendeten am 23. und am 24. Dezember ihre Protestaktionen, die sie ebenfalls nach der Verhängung des Kriegsrechts begonnen hatten. Vor diesem Hintergrund wurde am 28. Dezember beschlossen, den unterirdischen Streik im Bergwerk „Piast“, an dem zuletzt noch über tausend Bergleute beteiligt waren, zu beenden.

Panzer auf der Straße einer polnischen Stadt während des Kriegsrechts. Quelle: J. Żołnierkiewicz – http://www.solidarnosc.gov.pl/index.php?document=48, wikimedia commons.

Trotz des Versprechens der Militärbehörden wurden nicht nur die „Rädelsführer“, sondern auch einfache Bergleute schikaniert. Mehrere Dutzend von ihnen wurden bereits kurz nach dem Verlassen des Bergwerksgeländes verhaftet, viele auch gefoltert. Zwar wurden in einem Gerichtsprozess alle angeklagten Streikführer von „Piast“ freigesprochen, doch kurz nach dem Freilassen waren sie wieder hinter Gittern. Für das Militärregime Jaruzeskis zählten selbst die Urteile der „sozialistischen“ Gerichtsbarkeit nicht, wenn sie seinen Erwartungen nicht entsprachen.

Wandmalerei an einem Wohnhaus in Berun/Bieruń, die  an den Streik von 1981 erinnert. Quelle: Czary-Mury, facebook.

Insgesamt wurden während des Kriegsrechts in Polen (1981–1983) über 15.000 Gegner der von Moskau anhängigen kommunistischen Regierung interniert oder inhaftiert. Mehr als 50 Menschen wurden von den Beamten des Sicherheitsdienstes, der Volksmiliz und vom Militär ermordet. Den blutigsten Verlauf hatte die Zerschlagung des Streiks im Kattowitzer Bergwerk „Wujek“ am 16. Dezember 1981, bei der neun Bergleute erschossen wurden (Mehr dazu können Sie hier lesen).

Tekst: Dawid Smolorz