Schloss Roßwald in Tschechisch-Schlesien – das andere Versailles

Unter dem Reichsgrafen Albert Joseph von Hoditz und Wolframitz, seit 1741 Herr auf Roßwald, wurde die Anlage zu einer luxuriösen Barockresidenz ausgebaut

Er pflegte zu sagen: “Wer in Roßwald nicht war, der hat nicht gelebt“.

Im polnischen Oberschlesien bezeichnet man das im Zweiten Weltkrieg beschädigte und in den 1960er Jahren abgetragene Schloss Neudeck/ Świerklaniec als „Schlesisches Versailles“. Hört man diesen Begriff aber auf der tschechischen Seite der Grenze, so wird damit höchstwahrscheinlich nicht die von Donnersmarck´sche Residenz in der Nähe von Tarnowitz/ Tarnowskie Góry gemeint, sondern das barocke Schloss in Roßwald/ Slezské Rudoltice. Der Ort liegt im sogenannten Hotzenplotzer Zipfel, einer malerischen Gegend, die seit den Schlesischen Kriegen Mitte des 18. Jahrhunderts von drei Seiten von einer Staatsgrenze umgeben ist. Nach dem Konflikt zwischen Preußen und Österreich verblieb das Städtchen beim Habsburgerreich, doch das preußische Staatsgebiet war fortan nur ca. 2,5 km entfernt. Wo sich einst die preußisch-österreichische Grenze schlängelte, verläuft heute die Staatsgrenze zwischen Polen und der Tschechischen Republik.

Schloss von Südwest. Quelle: Zámek Slezské Rudoltice.

Freilich ist das Schloss Roßwald um das Vielfache kleiner als der Palast der französischen Könige. Auch war die nicht mehr existierende Residenz in Neudeck deutlich größer als das Bauwerk in Tschechisch-Schlesien. Der Vergleich mit Versailles ist daher nicht auf architektonische Ähnlichkeiten zurückzuziehen, sondern vielmehr auf die weitläufigen Gartenanlagen und die kostbare Ausstattung des Schlosses in seiner Blütezeit. Auf dem Standort der Adelsresidenz befand sich ursprünglich eine um 1500 errichtete Feste, die noch im 16. Jahrhundert zu einem Renaissance-Schloss umgebaut wurde. Unter dem Reichsgrafen Albert Joseph von Hoditz und Wolframitz, der seit 1741 Herr auf Roßwald war, wurde die Anlage zu einer luxuriösen Barockresidenz ausgebaut. Der neue Besitzer ließ sie überdies mit kostbaren Kunstobjekten ausstatten. Wie viele Adelssitze in der damaligen Zeit verfügte auch Schloss Roßwald über einen Theater- und Konzertsaal. Unter den vielen hohen Gästen, die die Residenz des Reichgrafen besuchten, befanden sich Voltaire, Kaiser Joseph II. und der preußische König Friedrich der Große. Der Gastgeber, Albert Joseph von Hoditz und Wolframitz, pflegte angeblich ohne falsche Bescheidenheit zu sagen: „Wer in Roßwald nicht war, der hat nicht gelebt“.

Bis 1942 blieb die Anlage in privater Hand. Während des Zweiten Weltkrieges beherbergte sie u. a. einige aus Berlin verlegte Abteilungen des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und ein Ausbildungszentrum der Hitlerjugend. Danach diente sie in der sozialistischen Tschechoslowakei zunächst als Sitz der lokalen Verwaltung, später als Lager für medizinische Gerätschaften. 2004 übernahm die Gemeinde das Schloss und das Parkgelände und begann mit einer groß angelegten Sanierung. In den vergangenen Jahren wurden an dem Gebäude und im Schlossgarten umfassende Renovierungsarbeiten durchgeführt. Auch die Bemühungen um die Rekonstruktion des französischen Gartens dauern seitdem an. In dem Schloss befindet sich heute ein Museum, das von Mai bis September besichtigt werden kann (im September nur an Wochenenden und Feiertagen). Die Internetpräsenz (Tschechisch): www.zamekslezskerudoltice.cz. Der Homepage ist eine wichtige Information für Besucher zu entnehmen, die mit eigenem PKW anreisen möchten. Man solle sich nämlich nach den konventionellen Landkarten orientieren und nicht den Empfehlungen der Navigationsgeräte folgen.

Innenräume des Schlosses. Quelle: Zámek Slezské Rudoltice.

Text: Dawid Smolorz