Buchankündigung: „Vom Theater zur Schlesischen Oper – Franz Landsbergers visionäre Mission“ von Izabella Kühnel

Franz Landsberger war Finanzier, Musikliebhaber, Gründer des Theaters in Beuthen (Bytom)

Am 15. Dezember wird die entstehende Publikation im Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen vorgestellt.

Die Buchautorin Izabella Kühnel stellt die Persönlichkeit Franz Landsbergers vor, seine visionäre Mission und Verdienste für die Stadt Beuthen sowie beleuchtet eigene Bestrebungen, ihn und sein Wirken wieder ins kollektive Gedächtnis zu rücken. Für alle, die am 15. Dezember 2023 um 17 Uhr nicht bei dem Vortrag im Oberschlesischen Museum in Ratingen sein können, hat Izabella Kühnel den untenstehenden Text vorbereitet.

Franz Landsberger – Finanzier, Musikliebhaber, Gründer des Beuthener Theaters

Franz Landsberger wurde am 4. Januar 1854 in Löwenberg (Lwówek Śląski) geboren, wo er seine frühe Kindheit verbrachte. Er besuchte das Gymnasium in Brieg (Brzeg) und absolvierte anschließend eine dreijährige Lehre bei einem Goldschmied. Wir wissen nicht genau, wann er in Beuthen (Bytom) ankam, und das erste sichere Datum, das mit der Stadt in Verbindung gebracht wird, ist der 10. März 1888, als er Sabina Zerkowski heiratete. Im Adressbuch von 1889 ist er bereits in der Bahnhofstraße 14 (heute Dworcowa 31) eingetragen.

Franz Landsberger, Fot. Privatarchiv.

Franz Landsberger erhielt eine solide Ausbildung zum Kaufmann in Kattowitz (Katowice) an der Seite seines Bruders Adolf Landsberger. Mit der Zeit machte er sich selbständig und wurde Direktor der Beuthener Filiale der Oberschlesischen Bank, die 1910 in die Dresdner Bank eingegliedert wurde. Er blieb Direktor der Beuthener Filiale bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1913. Er war viele Jahre lang Stadtverordneter und Mitglied des Aufsichtsrats der Schlesischen Elektrizitäts- und Gas-AG, die Strom und Gas in Oberschlesien vertrieb. Er war auch Mitglied des Verwaltungsrats der örtlichen Krankenkasse, wo er insbesondere an der Änderung der Vorschriften über die freie Arztwahl mitwirkte. Mit der Gründung der Handelskammer wurde Franz Landsberger Mitglied des Handelsgerichtsrats am Gericht in Beuthen.

Erfolgreicher Unternehmer mit Leidenschaft für Musik

Seine größte Leidenschaft blieb jedoch die Musik. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Beuthen eine multikulturelle Stadt mit beträchtlichem Potenzial, aber auch eine Stadt, die gerade aus der jahrhundertelangen Stagnation herauskam und dringend unternehmerisch denkende, gebildete Menschen mit finanziellen Ressourcen benötigte. Der Stadt fehlte es an echten Einrichtungen, um vor Ort ein kulturelles Leben zu schaffen und zu entwickeln. Der repräsentative Theatersaal „Sanssouci“ im Hotel Kaiserhof verfügte zwar über eine hervorragende Akustik und es fanden dort auch Opernaufführungen statt, aber es handelte sich immer um Gastspiele. Franz Landsberger sah von Anfang an die Notwendigkeit, in Beuthen ein Theater mit eigenem Konzertsaal zu bauen. Er musste die Menschen in seinem Umfeld noch davon überzeugen, dass man sich in einem so großen Ballungsraum nicht mit einem Mehrzwecksaal begnügen kann.

Im Jahr 1900 gründete er die Konzerthausgesellschaft mit dem Ziel, in Beuthen ein festes Theater- und Konzerthaus zu errichten, das erste im oberschlesischen Industriegebiet. Dies war zunächst eine rein private Initiative von ihm. Mit seiner unvergleichlichen Energie und Leidenschaft für die Kunst überzeugte Landsberger die richtigen Menschen von seiner Initiative und gewann die Unterstützung vieler prominenter Persönlichkeiten – darunter der Bürgermeister von Beuthen, Dr. Georg Brüning. Er war damals Stadtverordneter und sorgte mit seinem persönlichen Engagement für die nötige Atmosphäre, um die Mitglieder des Magistrats für die Idee eines Theaterbaus zu gewinnen. Die Stadt stellte das Grundstück an der Gymnasialstraße und die Summe von 300.000 Mark in Form einer zinslosen Hypothek für diesen Zweck unentgeltlich zur Verfügung. Zwei Unternehmer mit jüdischen Wurzeln – der Kohlengroßhändler, Erbe von Caesar Wollheim, und der Kohlenunternehmer und Tycoon Fritz von Friedländer-Fuld – und angesehene Mäzene – Generaldirektor Remy von der Schlesischen AG für Bergbau und Zinkhüttenbetrieb in Lipine (Lipiny), Generaldirektor Wendriner von der Oberschlesischen Schmalspurbahn und Generaldirektor Liebert von der Friedenshütte – trugen wesentlich zu den Kosten bei.

In demselben Jahr 1900 gründete Landsberger auch ein Streichquartett, mit dem er vor allem für wohltätige Zwecke auftrat und so Mittel für den Bau des Theaters sammelte. Auf seine Initiative geht auch die Gründung des „Beuthener Musikvereins“ zurück, aus dem sich der später berühmte Gesangverein „Singverein Beuthen“ entwickelte. Dieser Verein führte in seinen Anfangsjahren unter seiner Leitung anspruchsvolle musikalische Werke auf.

Am 1. Oktober 1901 wurde das Theater mit der Ouvertüre „Die Weihe des Hauses“ von Ludwig van Beethoven eröffnet. Später ergriff Hans Knapp (der spätere Direktor des Theaters) das Wort und trug einen von Stadtrat Wilhelm Immerwahr verfassten Prolog vor, und schließlich hob sich der Vorhang zum ersten Mal für die Uraufführung von Friedrich Schillers romantischem Trauerspiel „Die Jungfrau von Orleans“. Bis 1924 wurde das Theater von dem Regisseur Hans Knapp geleitet, der auch in Hindenburg (Zabrze), Königshütte (Chorzów) und Kattowitz (Katowice) Erfolge feierte. Erst 1905 war es möglich, eine vollständige Besetzung für das Opernhaus zusammenzustellen. Ab 1927 wurde der Name der Einrichtung in Oberschlesisches Landestheater geändert, das als Theater der drei Städte Beuthen, Gleiwitz (Gliwice) und Hindenburg diente.

Gedenken an Franz Landsberger in Beuthen und Bytom 

Franz Landsberger starb am 9. September 1925 in Beuthen plötzlich an einem Schlaganfall und wurde gemäß seinem Testament in Hirschberg (Jelenia Góra) eingeäschert. Die Zeremonie fand am Sonntag, dem 12. September, statt. Das Krematorium von Hirschberg, das zwischen 1913 und 1914 erbaut wurde, war damals das nächstgelegene. Wir wissen nicht, wo die Asche von Franz Landsberger beigesetzt wurde, da er weder im Friedhofsregister von Beuthen noch von Hirschberg aufgeführt ist.

Drei Wochen später, am 1. Oktober 1925, wurde das 25-jährige Bestehen des Theater- und Konzerthauses mit der Eröffnung der neuen Spielzeit mit Verdis Oper „Aida“ gefeiert. Wie die Ostdeutsche Morgenpost schrieb, „fehlte bei den Feierlichkeiten unter so vielen vor allem ein Mann, der bei allen Aufführungen im Stadttheater immer dabei war. Die linke Loge am Proszenium, die ohne den markanten, würdevollen Kopf von Franz Landsberger nicht denkbar war… leer. Es war eine tragische Fügung des Schicksals, dass der Vater des Beuthener Stadttheaters, wie man Franz Landsberger nennen könnte, diesen Tag nicht mehr erlebt hat”. Aufgrund der großen Anzahl von Gästen, die nicht im Foyer des Theaters untergebracht werden konnten, fand die Enthüllung der Franz Landsberger gewidmeten Gedenktafel früher statt, nur in Anwesenheit von Vertretern des Magistrats und des Bürgermeisters Georg Brüning. Die bescheidene Inschrift auf der Gedenktafel verkündete: „Zur Erinnerung an den Schöpfer dieses Hauses, Bankdirektor, Handelsgerichtsrat Franz Landsberger. Aus Anlaß des 25-jährigen Jubiläums. Die dankbare Stadt Beuthen“. Die Gedenktafel, die an seine Verdienste erinnert, wurde in den 1930er Jahren von den Nazis wegen seiner jüdischen Herkunft entfernt.

Das Beuthener Theater, Fot. Privatarchiv.

Die Beuthener liebten ihn für seine Ehrlichkeit, sein Engagement für die Förderung der Kultur und seine Wohltätigkeit, die ihn in der ganzen Region berühmt machte. Praktisch bis zum letzten Tag seines Lebens erfüllte er seine Pflichten gegenüber seiner geliebten Institution. Er beteiligte sich an den Arbeiten für die neue Spielzeit, die bereits unter den neuen Organisationsstrukturen der fusionierten Städtischen Bühnen realisiert wurde. Privat muss es im Hause Landsberger aufgrund der Liebe zur Musik sehr lebhaft zugegangen sein. Sowohl die Töchter als auch der Sohn waren musikalisch begabt und spielten alle irgendein Instrument. Tochter Minna hatte eine außergewöhnlich schöne Stimme und verschönerte, sich selbst am Klavier begleitend, jede Familienfeier mit ihrem Gesang. Franz’ Enkelin Eva Landsberger, der Franz seine Geige schenkte, erbte die Liebe ihres Großvaters zum Instrument. Sie wählte die Musik als ihren Lebensweg und war fünfzig Jahre lang professionelle Geigerin im Greater Baltimore Symphony Orchestra. Der in den USA lebende Urenkel von Franz Landsberger, Erik Black, war ebenfalls lange Zeit Dirigent. Die Enkelin von Landsberger, Rita Roland, die bei Metro-Goldwyn-Mayer arbeitete, war in Hollywood sehr erfolgreich und erhielt Preise und Nominierungen. Bekannt wurde sie durch die Filme „Sybil“, „Ein Piano für Mrs. Cimino“ oder „Eleanor and Franklin: The White House Years“.

Heute lebt niemand mehr aus der Familie Landsberger in Beuthen, daher ist es unsere Pflicht, ihr Andenken wiederherzustellen. Ihr enormer Beitrag zur Entwicklung dieser Stadt ist offensichtlich. Im Foyer der Schlesischen Oper sollte wieder eine Gedenktafel für Franz Landsberger angebracht werden, und vor dem Haus in der Moniuszki-Straße 13 sollte ein Gedenkstein (Stolperstein) zu Ehren der Ehefrau von Franz, Sabine Landsberger, aufgestellt werden, die 1937 in die Niederlande emigrierte, aber 1943 verhaftet und in das Westerbork und von dort in das Vernichtungslager Sobibor deportiert wurde. Sie starb am 13. März 1943. Sie gehört zu den Opfern des Holocausts und der jüdischen Bevölkerung Deutschlands.

Publikation erinnert an Franz Landsberger und seine Verdienste

Das entstehende Buch „Vom Theater zur Schlesischen Oper – Franz Landsbergers visionäre Mission“ zeigt die historischen Verstrickungen einer Region, die häufig die Nationalität wechselte. Es erzählt von der lokalen Geschichte, von der Vielfalt der Kulturen, von Toleranz und Akzeptanz, aber auch vom Drama des Holocaust, das sich hier abgespielt hat. Es zeigt die Probleme der Grenzregion vor dem Hintergrund der persönlichen Erfahrungen der Familie Landsberger. Die Veröffentlichung des Buches fällt mit der Wiederaufnahme des Spielbetriebs auf der großen Bühne der Schlesischen Oper in Bytom nach zweijähriger Renovierung zusammen. Die Publikation wird von Liga Kobiet Nieobojętnych herausgebracht und aus Mitteln der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, der Gemeinde Bytom, des Honorarkonsuls der Bundesrepublik Deutschland und von Privatpersonen unterstützt.

Text: Izabella Kühnel, Übersetzung: Katarzyna Lorenc, Oberschlesisches Landesmuseum

Veranstaltungshinweis

Am 15. Dezember 2023 um 17 Uhr wird im Rahmen von Litterae Silesiae die im Entstehen begriffene Publikation von Izabella Kühnel zu Leben und Werk Franz Landsbergers im Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen vorgestellt. Der Eintritt ist frei.