Mit Vortrag und Exkursion wird in Görlitz an eine bemerkenswerte Persönlichkeit der schlesischen Kirchengeschichte erinnert
Pater Lutterotti war Archivar, Kunstsammler, Forscher und Prior im Kloster Grüssau (Krzeszów).
Das Kulturreferat für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz und die Kirchliche Stiftung evangelisches Schlesien erinnern in Vortrag und Exkursion an Pater Nikolaus von Lutterotti OSB (1892-1955), den Archivar, Forscher und letzten Prior im Kloster Grüssau (Krzeszów):
- 9.08.2024, 18:00, Schlesisches Museum zu Görlitz, Eintritt frei: „Pater Nikolaus von Lutterotti OSB (1892-1955) – Wanderer zwischen den politischen Mächten“, Vortrag von Dr. Inge Steinsträßer, Bonn
- 10.08.2024, Exkursion von Görlitz nach Krzeszów und Boguszów-Gorce, Info und Anmeldung bei der Kirchlichen Stiftung evangelisches Schlesien unter 03581 876682 oder per E-Mail an kirchlichestiftung@evangelisches-schlesien.de.
Ein außergewöhnlicher Lebensweg führte den 1892 in Südtirol geborenen Benediktinermönch Pater Nikolaus von Lutterotti OSB nach Schlesien. 1912 war er in die Benediktinerabtei Emmaus in Prag eingetreten, diente im Ersten Weltkrieg als geistlicher Pflegehelfer auf einem Sanitätszug der k.u.k-Armee und gehörte 1919/1920 nach dem Zusammenbruch der Abtei Emmaus zum Gründungskonvent in der ehemaligen Zisterzienserabtei Grüssau in Niederschlesien.
Hier wirkte er vor allem als Bibliothekar und Archivar. Die freien Stunden nutzte er zur gründlichen Erforschung der Klostergeschichte. Seine wissenschaftlichen Erkenntnisse legte er in zahlreichen Publikationen nieder, die bis heute sowohl deutschen als auch polnischen Grüssau-Forschern wichtige Grundlage sind.
Außerdem war er leidenschaftlicher Sammler von religiösen (Volks)Kunstgegenständen. Seine beeindruckende Sammlung, im Ethnografischen Museum in Breslau (Wrocław) aufbewahrt, konnte man kürzlich dort in der ersten ihm gewidmeten Ausstellung bewundern.
Dem Nationalsozialismus stand er überaus kritisch gegenüber. Der Zweite Weltkrieg und die Beschlagnahmung der Abtei 1940 trafen den Konvent schwer. 1943 wurde Lutterotti zum Prior des Klosters ernannt und übte dieses Amt auch nach der Vertreibung seiner reichsdeutschen Mitbrüder aus. Als italienscher Staatsbürger konnte er nach 1945 in Grüssau, nunmehr Krzeszów, bleiben und übernahm hier sofort Verantwortung für die aus Lemberg (Lwów) umgesiedelten polnischen Benediktinerinnen. Gleichzeitig wirkte er in der Seelsorge für die deutsche Restbevölkerung in den Kreisen Landeshut (Kamienna Góra) und Waldenburg (Wałbrzych). Zu seinen Gemeindemitgliedern gehörten sowohl katholische als auch evangelische Christen sowie polnische Neusiedler.
Nach heftigen kirchenrechtlichen und politischen Auseinandersetzungen mit dem Breslauer Kapitularvikar Kazimierz Lagosz und der polnischen Sicherheitspolizei (Urząd Bezpieczeństwa), war er 1954 gezwungen, Polen zu verlassen, um seiner Inhaftierung zu entgehen. Ein Jahr später verstarb er schwerkrank im Alter von nur 62 Jahren im Marienhospital in Stuttgart.
Zur Referentin
Dr. Inge Steinsträßer aus Bonn promovierte 2009 über das Leben und Wirken von Pater Nikolaus von Lutterotti und wird in ihrem Vortrag diese wenig bekannte Persönlichkeit der schlesischen Kirchengeschichte näher beleuchten. Sie begleitet auch die am folgenden Tag stattfindende Exkursion nach Krzeszów (Grüssau), Gottesberg und Rotenbach (Boguszów-Gorce)
Text: Kulturreferat für Schlesien