Eine Erfolgsgeschichte mit bitterem Beigeschmack
Zweimal feierte der Sportler den Olympiasieg. Vor der Wut der kommunistischen Machthaber haben ihn diese Triumphe dennoch nicht geschützt.
In die Geschichte des polnischen Sports ging der Dreispringer als Józef Szmidt ein, da sein Vor- und Nachname 1945 von den Behörden der Volksrepublik polonisiert wurden. Der aus dem Beuthener Stadtteil Miechowitz (Miechowice) gebürtige Sportler, in dessen Umfeld bis dahin Deutsch gesprochen wurde, lernte erst als Teenager den slawisch-oberschlesischen Dialekt und das Hochpolnische.
Auf die Leichtathletik machte ihn sein älterer Bruder Eberhardt (nach 1945 offiziell Edward) aufmerksam, der ein Sprinter war und 1956 sogar an den Olympischen Spielen in Melbourne teilnahm. Kurze Zeit später begann mit den Titeln des Polen- und Europameisters auch Josefs Triumphzug. Im Olympiajahr 1960 schlug er den Weltrekord, indem er als erster Dreispringer die 17-Meter-Grenze überschritt. Zu den Spielen nach Rom fuhr er deswegen als Favorit und enttäuschte nicht. Nicht nur sprang er am weitesten, sondern er schlug auch – wohlgemerkt nicht zum letzten Mal – seinen eigenen Weltrekord. Zwischen 1958 und 1964 war das Känguru aus Oberschlesien, wie man Schmidt wegen seiner langen Sprünge manchmal nannte, bei allen internationalen Titelkämpfen konkurrenzlos. Seine Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokyo 1964 stand jedoch zunächst wegen einer Verletzung nicht fest. Doch er kam, er sah und er siegte.
Schmidts Leben nach dem Ende der Karriere wurde von einem Ereignis mit politischem Hintergrund beeinflusst. In den frühen 1970er Jahren, als er kein aktiver Sportler mehr war, aber immer noch polenweit bekannt und hochgeschätzt, besuchte ihn eine Journalistin, die – wie sich später herausstellte – mit dem Parteibonzen Jerzy Ziętek verwandt war. Auf ihre Frage, warum der Olympiasieger bei der nächsten Wahl für die (kommunistische) Polnische Vereinigte Arbeiterpartei (PZPR) stimmen würde, antwortete er: „Weil es keine andere Möglichkeit gibt. Gäbe es andere Parteien, würde ich vielleicht für eine andere stimmen“. Die Aussage wurde selbstverständlich nicht abgedruckt, doch erfuhren die Behörden von diesem „Akt des Ungehorsams“. Daraufhin begann ein Boykott dieses einen der erfolgreichsten Sportler in der Geschichte des Landes. Nicht nur wurde er zur Persona non grata bei Sportveranstaltungen erklärt, sondern konnte auch als „Staatsfeind“ keine Arbeit finden. Auf einmal erinnerte man sich auch an Schmidts deutsche Abstammung und unterstellte ihm sogar, er würde für die Bundesrepublik spionieren. Der Lebensgrundlagen entzogen beschloss der Sportler, zusammen mit seiner Familie nach Westdeutschland zu übersiedeln, doch verweigerten ihm die polnischen Behörden eine Ausreisegenehmigung. Im Jahr 1975 verloren sie wahrscheinlich kurz die Wachsamkeit und erlaubten ihm, mit einer Fangruppe zum EM-Qualifikationsspiel der polnischen Fußballmannschaft nach Amsterdam zu reisen. Diese Gelegenheit nutzte Schmidt, um in die Bundesrepublik zu flüchten, wo er als deutscher Aussiedler aufgenommen wurde. Innerhalb von zwei Jahren kamen seine Frau und seine Söhne nach.
Nach der Wende zogen die Schmidts in den 1990er Jahren nach Polen zurück, allerdings nicht nach Oberschlesien, sondern nach Pommern. Unweit von Dramburg (Drawsko Pomorskie) genoss der Ex-Sportler die ländliche Idylle und widmete sich der Ziegenzucht sowie dem Anbau von Obstbäumen. Der Olympionike starb am 29. Juli 2024 – drei Tage nach der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris und knapp 60 Jahre nach seinem Triumph in Tokyo.
Josef Schmidt schlägt zum ersten Mal den Weltrekord, Allenstein (Olsztyn) 5. August 1960:
Die „goldenen“ drei Sprünge bei den Olympischen Spielen in Tokyo 1964.
Text: Dawid Smolorz