Am 31. August 1939 drang eine Gruppe Männer in Zivil in den Gleiwitzer Rundfunksender ein
Bei der sog. Gleiwitzer Provokation starb Franz Honiok. Er gilt symbolisch als erstes Opfer des Zweiten Weltkrieges.
Gegen acht Uhr abends am 31. August 1939 drang eine kleine Gruppe Männer in Zivil in den Gleiwitzer Rundfunksender ein. Etwa zehn Minuten später erklangen Schüsse vor dem Eingang ins Gebäude. Franz (bzw. Franciszek) Honiok war auf der Stelle tot. Dass er aber irgendeiner Gefahr ausgesetzt war, war ihm nicht bewusst, da er zuvor mit Drogen betäubt worden war. Bei dem 43-jährigen Oberschlesier handelte es sich um ein zufälliges Opfer eines Ereignisses, das als „Gleiwitzer Provokation“ in die Geschichte einging.
Mit diesem fingieren Überfall auf einen im Reichsgebiet gelegenen Rundfunksender wollte Adolf Hitler nicht nur einen Vorwand für den Angriff auf Polen schaffen, sondern auch Frankreich und Großbritannien von einem Eintritt in den Krieg auf Seiten Warschaus abhalten. Deshalb musste „die polnische Täterschaft“ möglichst glaubhaft gemacht werden. Honioks Leiche, die vor dem Sendergebäude abgelegt wurde, sollte einen starken Beweis dafür liefern.
(Un)Zufälliges Opfer
Der in Lubie (Łubie) im Landkreis Tost-Gleiwitz ansässige Vertreter für Landmaschinen wurde am 30. August 1939 in seinem Heimatort von der Gestapo verhaftet. Dass er früher oder später Probleme mit den Nazis bekommen würde, konnte er wohl ahnen. Schließlich gehörte er zu den Einwohnern Deutsch-Oberschlesiens, die sich eindeutig zur polnischen Nationalität bekannten. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte er sich als polnischer Abstimmungsaktivist und (wahrscheinlich auch) als Aufständischer für den Anschluss Oberschlesiens an Polen ein. Nach der Teilung der Region lebte er sogar bis 1927 auf der polnischen Seite. Später nahm er an den Aktivitäten des Bundes der Polen in Deutschland teil. Dass die Wahl auf Honiok fiel, war jedoch weitgehend ein Zufall. Tragische Folgen hatte für ihn höchstwahrscheinlich der Umstand, dass er unweit des Schauplatzes der geplanten Provokation lebte.
Nach der Aktion im Sender wurde Honioks Leiche für Pressezwecke fotografiert. Die Öffentlichkeit hätte doch überzeugt werden sollen, dass es zu einem Feuerwechsel gekommen sei, bei dem einer der „polnischen Angreifer“ getötet worden sei. Wo genau der Mann später bestattet wurde, bleibt bis heute unbekannt.
Die Eltern und die Geschwister Honioks hatten lange keine Kenntnis über sein Schicksal. Anfangs hofften sie darauf, dass er „nur“ in einem Konzentrationslager inhaftiert sei und keinen Briefkontakt mit der Familie unterhalten dürfte. Erst in den 1960er Jahren erfuhr die Öffentlichkeit nach dem Verhör eines ehemaligen Mitarbeiters der Oppelner Gestapo-Dienstelle Näheres über die letzten Stunden im Leben eines Menschen, der heute symbolisch als erstes Opfer des Zweiten Weltkrieges gilt.
Text: Dawid Smolorz