Beuthen ist eine der drei schlesischen Städte, in denen sich historische Bahnsteighallen befinden
Das Beuthener Bauwerk, das einzige dieser Art in Oberschlesien, erlebte kürzlich eine Metamorphose.
Neben Breslau (Wrocław) und Liegnitz (Legnica) gehört Beuthen (Bytom) zu den schlesischen Städten, in denen sich historische Bahnsteighallen befinden. In den vergangenen Jahrzehnten stellte der Bahnhof in Beuthen, einer der größten Städte des Industriegebietes, ein immer trister wirkender Relikt längst vergangener Blütezeit. Der erste Hoffnungsschimmer kam mit der gründlichen Sanierung des Inneren des Empfangsgebäudes durch die polnische Staatsbahn PKP (Polskie Koleje Państwowe). Nun kamen auch für die imposante Bahnsteighalle bessere Zeiten, da sie am 16. Oktober 2024 – nach einer fast anderthalb Jahre dauernden Renovierung – wieder für den Betrieb freigegeben wurde.


Den Bau eines modernen Bahnhofs in Beuthen erzwang die neue politische Situation nach dem Ersten Weltkrieg. Mit der Teilung Oberschlesiens 1922 wurde Beuthen, das bis dahin nicht zu den wichtigsten Verkehrsknotenpunkten der Region zählte, zu einer deutschen Grenzstadt. Schon kurz darauf erwies sich der Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Durchgangsbahnhof als zu klein für die Abfertigung größerer Mengen an Menschen und Gütern. Im Jahre 1926 wurde daher mit dem Bau eines neuen Gebäudeensembles begonnen. Einen Teil von ihm stellte die Bahnsteighalle dar – für die oberschlesischen Verhältnisse ein absolutes Novum. Das 140 Meter lange und 39,5 Meter breite Bauwerk war ursprünglich gänzlich verglast. Von den vier Bahnsteigen hatten zwei eine besondere Funktion. Der Personensteig 1 (im Volksmund „polnischer Bahnsteig“ genannt), von dem Züge in die nahegelegenen Städte Polnisch-Oberschlesiens fuhren, befand sich außerhalb der Halle und der Zugang zu ihm erfolgte über einen getrennten Zolltunnel.

Eine Besonderheit stellte zudem der für Fernzüge im internationalen Verkehr bestimmte Bahnsteig 3 dar, über den die Zollhoheitsgrenze verlief, obwohl er de facto komplett im Reichsgebiet lag. Sein Teil, genau gesagt der Abschnitt 3a, bildete nämlich polnisches Zollgebiet. Die auf Gleis 3 geleiteten Züge hielten zunächst im westlichen Sektor, wo die deutsche Zoll- und Passkontrolle erfolgte. Nach deren Abschluss rollten sie in den Sektor 3a, wo die polnischen Zollbeamten den Vorgang wiederholten. Nach der Abfertigung fuhren Züge ohne weitere Zwischenhalte bis zur ersten größeren Station auf polnischer Seite.

In den 1920er und 1930er Jahren war der Beuthener Bahnhof ein pulsierender Verkehrsknoten und zugleich einer der wichtigsten Grenzübergänge im Osten Deutschlands. Nach dem deutsch-sowjetischen Überfall auf Polen 1939 fiel die Grenze weg. Da nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der bis dahin deutsche Teil Oberschlesiens polnisch wurde, verlor Beuthen endgültig den Rang einer Grenzstadt und der dortige Bahnhof, der als eine Art Schaufenster Deutschlands gedacht gewesen war, seine Bedeutung.
Text: Dawid Smolorz