Schlesien in der Neuen Welt

Breslau, St. Hedwig, Silesia: Schlesische Spuren auf der Landkarte Nordamerikas

Im 19. Jahrhundert machten sich ausgewanderte Schlesier auch durch Namensgebung die Fremde vertraut.

Im 19. Jahrhundert beschlossen auch viele Schlesier, in Übersee ihr Glück zu suchen. Wie andere Siedler wollten sie sich unter anderem durch Namensgebung die Fremde vertraut machen und so in der Neuen Welt ein Stück Heimat bewahren.

Breslau / Kanada, Ortseingang. Quelle: www.ola.org

Erwartungsgemäß ist Breslau der schlesische Ortsname, der am häufigsten auf Amerikas Landkarte zu finden ist. Je ein Breslau gibt es in den US-Bundesstaaten Texas, Nebraska und Pennsylvania sowie in Kanada. Alle von ihnen wurden freilich von deutschen Auswanderern gegründet. In drei ersteren Fällen handelt es sich um kleine, dorfähnliche Siedlungen, in denen heute jeweils zwischen einigen Dutzend und hundert Menschen leben. In der Vergangenheit waren sie allerdings zum Teil deutlich größer. Das texanische Breslau, das in den 1860er Jahren gegründet wurde, galt beispielsweise im späten 19. Jahrhundert als lokales Zentrum des Baumwollanbaus. Der Ort hatte damals eine protestantische Kirche und eine Schule.

Das kanadische Breslau in den 1940er Jahren. Quelle: www.regionofwaterloomuseums.ca

Die einzige Stadt unter den nordamerikanischen Breslaus befindet sich im kanadischen Ontario. Sie wurde bereits 1806 von deutschen Mennoniten gegründet, die zuvor in Pennsylvania gelebt hatten. Der Ort, in dem 1916 der einst bekannte kanadische Eishockeyspieler deutscher Abstammung Clarence Schmalz zur Welt kam, hat heute ca. 5.000 Einwohner. 

Eine Farm in Breslau / Nebraska. Quelle: Ammodramus, Wikimedia Commons

Im US-Bundesstaat Montana liegt ein Dorf mit dem frappierenden Namen Silesia. Ihren Namen verdankt die Siedlung dem Bierunternehmer Julius Lehrkind, der – je nach Quelle – aus Schlesien oder aus Westfalen stammte. In Silesia eröffnete er eine Brauerei, die jedoch bereits nach einigen Jahren abbrannte, woraufhin ein Teil der Familie den Ort verließ und in der Stadt Bozeman einen neuen Betrieb eröffnete. Damit wurde wohl die Chance auf eine schnelle Entwicklung der Siedlung, die früher sogar eine Station der Nordpazifischen Eisenbahn (Northern Pacific Railway) hatte, durchkreuzt. Heute leben in dem am Fluss Yellowstone gelegenen Ort etwa 90 Menschen. In seiner Nähe befinden sich Mineralquellen mit dem vertraut klingenden Namen Silesia Springs.

Katholische Kirche in St. Hedwig. Quelle: www. polish-texans.com

Ein interessanter Fall ist die texanische Kleinstadt St. Hedwig, die heute ca. 2.200 Einwohner hat. Der Ort wurde 1852 von deutschsprachigen Schlesiern gegründet und nach der Schutzpatronin ihrer Region benannt. Kurze Zeit später ließ sich in St. Hedwig auch eine Gruppe polnischsprachiger Oberschlesier nieder. Noch heute bilden die Nachkommen deutsch- und polnischsprachiger Siedler den Kern der lokalen Bevölkerung. Polnischsprachige Oberschlesier gründeten überdies unweit von St. Hedwig zwei weitere Siedlungen, deren Namen aber nicht in einem direkten Zusammenhang mit den geografischen Bezeichnungen aus der Heimatregion stehen: Panna Maria und Cestohowa.

Ebenfalls in Texas befindet sich ein kleines Dorf namens Ratibor. Anders als vermutet werden könnte, hat es aber mit der oberschlesischen Stadt, die heute Racibórz heißt, nichts zu tun. Denn es wurde um 1900 von den Siedlern aus dem ostmährischen Ratiborsch gegründet, dessen tschechischsprachige Bezeichnung Ratiboř lautet.

Text: Dawid Smolorz