WuWA in Breslau ist 95 Jahre alt

Mit vielen Veranstaltungen und Attraktionen wurde auf die einmalige Werkbundsiedlung in Breslau aufmerksam gemacht

Die WuWA ist eine Abkürzung von „Wohnung- und Werkraumausstellung“, die 1929 in Breslau organisiert wurde.

Die einmalige Werkbundsiedlung aus Breslau – die „WuWA“ – feiert ihren 95. Geburtstag. Aus diesem Anlass hat das Convention Bureau Wrocław (Stiftung für Tourismusförderung) am 19. Oktober 2024 eine Reihe von Veranstaltungen organisiert: einen Vortrag von der Architektin Dr. Jadwiga Urbanik (Lehrstuhl für Architekturkonservierung und Kulturlandschaftsrestaurierung der Technischen Universität Breslau), Spaziergänge für verschiedene Zielgruppen (Jugendliche, Erwachsene und Senioren) und ein Stadtrallye. Man konnte auch Innenräume des Ledigenwohnheims von Hans Scharoun besichtigen.

Anlässlich des Jubiläums wurden Spaziergänge für verschiedene Zielgruppen organisiert.
Aus der Not geboren

Die WuWA ist eine Abkürzung von „Wohnung- und Werkraumausstellung“, die 1929 in Breslau organisiert wurde. Um der Wohnungsnot der 1920er Jahre entgegenzuwirken, haben die Architekten der verschiedenen Werkbundabteilungen ein Angebot von günstigen, kleinen oder mittleren Wohnungen vorgeschlagen, die damals als „Existenzminimum“ bezeichnet wurden und sie im Rahmen der einzelnen Ausstellungen präsentiert. Innerhalb von fünf Jahren, von 1927 bis 1932, entstanden in Europa sechs Mustersiedlungen, die von den herkömmlichen Werkbundabteilungen erbaut wurden: in Stuttgart (1927, Siedlung „Weissenhof“), in Brünn (1928, Siedlung „Nowy Dom“), in Breslau (1929, Siedlung „WuWA“), in Zürich (1931, Siedlung „Neubrühl“), in Prag (1932, Siedlung „Baba“) und in Wien (1932, Siedlung „Lainz“).

Alle Ausstellungen hatten zum Ziel, die neusten Errungenschaften der Architekten zu zeigen, verschiedene Lösungen beim Bau der günstigen Häuser vorzustellen, neue Baumaterialien, neue Konstruktionen, Farben und neue Inneneinrichtungen zu präsentieren. Sie hatten auch eine neue didaktische Aufgabe: den zukünftigen Empfänger beizubringen, wie man die neuen Lösungen im alltäglichen Leben nutzen kann.  Man wollte einen neuen Stil popularisieren: das Wohnen in den sonnenlichtgefluteten Wohnungen, ohne Teppiche und schwere, raumraubende Möbel. Alle Werkbund-Siedlungen wurden vor einigen Jahren mit dem European Heritage Label ausgezeichnet.

Die Breslauer WuWA gehört zu den besterhaltenen Siedlungen der 1920er Jahre. Sie entstand als Teil der Ausstellung, die auf dem Messegelände aus dem Jahre 1913 organisiert wurde. In der Jahrhunderthalle, im Vier-Kuppel-Pavillon, in der Messehalle (nicht mehr vorhanden) und in den provisorischen Pavillons rund um die Jahrhunderthalle wurden Baumaterialien, Farbstoffe, Möbel und Projekte der schon realisierten Breslauer Siedlungen vorgestellt. Zusätzlich aber baute man eine Mustersiedlung, die man besuchen konnte. Für die Ausstellung, die drei Monate gedauert hat, entstanden 32 Gebäude verschiedener Typen!

Zur Eröffnung der Ausstellung am 15. Juni 1929 waren zwei Gebäude nicht fertig: das Ledigenwohnheim von Hans Scharoun und das Gemeinschaftshaus von Adolf Rading. Der Winter des Jahres 1928/1929 war besonders hart, so dass die richtigen Baumaßnahmen erst drei Monate vor dem Ausstellungbeginn starten konnten. Die zwei Gebäude wurden erst nach der Ausstellungeröffnung den Besuchern zugänglich gemacht (die WuWA wurde letztendlich bis zum 29. September verlängert).

Aufträge für lokale Architekten

Für die Realisierung der Breslauer WuWA wurden elf lokale Architekten ausgewählt. Man war der Meinung, nur sie können die Baumaterialien und die Konstruktionen an das schwierige schlesische Klima (strenge Winter, lange und feuchte Herbst-und Frühlingstage) anpassen. In der Wirklichkeit spielten die finanziellen Gründe eine wesentliche Rolle dabei. Alle Kosten der Ausstellung musste die Stadt tragen. Man rechnete mit der Förderung der RFG, der Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen, aber außer der Schirmherrschaft kam keine finanzielle Förderung.

Das Mehrfamilienhaus von Paul Heim und Albert Kempter, heute WUWA Café und Infopoint.

Die Mustersiedlung wurde von folgenden Architekten realisiert, die eine große Vielfalt von verschiedenen Häusern vorgeschlagen haben: Paul Heim, Albert Kemter, Theodor Effenberger, Ludwig Moshamer, Heinrich Lauterbach, Paul Häusler, Moritz Hadda, Emil Lange, Gustav Wolf, Hans Scharoun und Adolf Rading. Nur ein Gebäude, das Nr. 34 von Heinrich Lauterbach, wurde damals aus finanziellen Gründen nicht realisiert und eins steht heute nicht mehr. Das Zweifamilienhaus von Gustav Wolf (Nr. 32-33) wurde in den 1960er Jahren abgerissen. Als einziges WuWA-Gebäude hatte es ein traditionelles Schrägdach, das damals sehr gelobt wurde.

Die WuWA schreibt Architekturgeschichte

Die Mustersiedlung war für die damalige Zeit eine Avantgarde: neue Materialien, neue Konstruktionen, flache Dächer mit Terrassen und Gärten, große Fensterflächen entlang glatter Fassaden, dank denen Sonne und Himmel in die Innenräume mit einbezogen wurden, viele Gemeinschaftsteile, wo sich die Einwohner treffen und intergieren konnten. Auch das organische Bauen war von Bedeutung: die Verbindung der Architektur mit dem Ort.

Bei so viel Neuem waren Fehler unvermeidlich. Sie Architekten hatten damals nicht immer Erfahrung, wie man die Wände isolieren oder wie man das Regenwasser von den flachen Dächern abführen soll. Die Gebäude waren nicht unterkellert, was natürlich auch Probleme verursachte. Nach der Ausstellung sollten die Wohnungen und Häuser für zwei Jahre vermietet werden. Die Nutzer sollten sie in dieser Zeit ausprobieren und alle Nachteile notieren. Es stellte sich jedoch heraus, dass sie zu teuer für durchschnittliche Einwohner waren. Besonders zwei Bauten: von Hans Scharoun und Adolf Rading haben die Kosten nach oben gehoben. Der schlesische Werkbund hat entschieden, die Preise auszugleichen: die Kosten wurden unter alle Häuser geteilt. Das hat wiederum zu den Protesten der anderen Architekten beigetragen und zu den Streitigkeiten in dieser Gesellschaftsgruppe geführt. Letztendlich sind hier nach der Ausstellung Architekten und Künstler eingezogen: die WuWA wurde zum Künstlerviertel. Die WuWA war ein wichtiger Wegweiser für die Architektur der darauffolgenden Jahrzehnte und inspiriert bis heute – nicht nur die Architekten.

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka
Titelbild: Marcin Dobrowolski

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