Erste Saison von Christoph Eschenbach in Breslau (Wrocław)

Seit September 2024 ist der deutsche Pianist und Dirigent als künstlerischer Leiter der Breslauer Philharmonie am NFM verpflichtet

Im Repertoire sind große Stücke aller Epochen dabei.

Christoph Eschenbach ist seit September 2024 der künstlerische Leiter der Breslauer Philharmonie am Witold Lutosławski Nationalforum für Musik (NFM, Narodowe Forum Muzyki) und bleibt hier fünf Jahre lang. Dieses Jahr ist für das NFM besonders. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sind es auch 80 Jahre nach dem ersten Konzert, das am 29. Juni 1945 im polnischen Wrocław in dem Stadttheater – der heutigen Oper –stattfand. Es wird symbolisch als Anfang der polnischen Philharmonie in der Stadt betrachtet. Für Juni wird ein Konzert geplant, das an das damalige Programm aus dem Jahre 1945 anknüpft. Es soll auch in der Breslauer Oper von den NFM-Philharmoniker gespielt werden. Außerdem feiert das NMF seinen 10. Geburtstag – die Institution wurde am 4. September 2015 eröffnet.

Christoph Eschenbach bei der Pressekonferenz im Januar 2025. Fot. Małgorzata Urlich-Kornacka

„Es ist für uns eine besondere Zeit und deshalb wollten wir auch einen besonderen Leiter haben. Die Zusammenarbeit mit Maestro ist nicht nur für das NFM besonders, sondern auch für die Musiker selbst. Alle wissen, wer Christoph Eschenbach ist, mit wem er spielte, wie viele Alben er aufnahm – diese Zusammenarbeit ist für Musiker etwas Spezielles“, sagt Dawid Jarząb, der Manager der Breslauer Philharmonie.

Alles begann 2016, als Breslau europäische Kulturhauptstadt wurde. Zusammen mit dem Washington-Orchester kam auch Christoph Eschenbach in die niederschlesische Hauptstadt. „Schon damals dachten wir warm an Eschenbach: nicht nur wegen seiner tragischen Kindheit in Breslau, sondern wir dachten an sein großes Charisma und an seine Fähigkeiten, gut mit dem Orchester zusammenzuarbeiten. Der Gedanke, Christoph Eschenbach nach Breslau zu rufen, kehrte zurück, als die Arbeitszeit von Giancarlo Guerrero sich dem Ende näherte“, so Jarząb weiter. „Das Orchester braucht weniger einen Dirigenten und viel mehr eine Persönlichkeit. Christoph Eschenbach ist eine große Persönlichkeit, die zugleich mit seinem Charisma die anderen Musiker bereichern kann. Maestro Eschenbach interpretiert Musik auf eine individuelle Art und Weise und setzt die Interpretation mit unserem Orchester um. Er ist mit Breslau stark verbunden, trat schon früher bei „Wratislavia Cantans“ bei uns auf und alle seine Konzerte waren ausgezeichnet“, schwärmt der junge Manager der Philharmonie Dawid Jarząb.

Die Gedenktafel für Christoph Eschenbach in der Allee der Stars vor dem NFM wurde 2016 enthüllt, Fot. Małgorzata Urlich-Kornacka

Christoph Eschenbach ist am 20. Februar 1940 in Breslau als Christoph Ringmann geboren. Seine Mutter Margarethe (geb. Jaross) starb kurz nach der Geburt, sein Vater Heribert Ringmann wurde als Nazi-Gegner in einen Strafbataillon geschickt, wo er ums Leben kam. Mit der Erziehung hat sich die Großmutter beschäftigt, die aber während der Flucht aus Festung Breslau starb. Nach dem Tod seiner Großmutter konnte der kleine Christoph ein Jahr lang nicht sprechen. Nach dem Krieg kam er in die Obhut der Cousine seiner Mutter, Wallydore Eschenbach, die ihn aus einem Flüchtlingslager aufnahm und deren Namen er annahm. Er wuchs zunächst in Wismar in Mecklenburg in der DDR und später in Neustadt in Holstein in Westdeutschland auf. Die Tante entdeckte das musikalische Talent des Kindes – er begann Klavier in Hamburger Hochschule für Musik zu lernen. Und so begann sein Abenteuer mit Musik. Mit der Zeit wurde er nicht nur ein berühmter Pianist, sondern auch ein weltberühmter Dirigent.

Narodowe Forum Muzyki in Wroclaw, Fot. visit wroclaw.

Christoph Eschenbach ist in seine Geburtsstadt zurückgekehrt. „Ich kann mich nur an das Haus meiner Großmutter erinnern, in dem ich aufgewachsen bin. Mehr nicht – ich war damals sehr klein“, sagt Eschenbach selbst. „Ich bin begeistert, wie die Stadt nach der Zerstörung des Zweiten Weltkrieges wiederaufgebaut wurde und natürlich, dass hier dieses Objekt und diese Säle für exzellentes Musikmachen gegeben sind. Der Saal von NFM ist der spektakulärste in ganz Polen“.

In seiner ersten Saison als künstlerischer Leiter bereitete Christoph Eschenbach dem Publikum eine große Vielfalt von Werken: von Barock bis in die Musik des 21. Jahrhunderts vor. „Ich möchte, dass bei dem Repertoire große Stücke aller Epochen dabei sind“. Er gestand, von den polnischen Komponisten Frédéric Chopin am meisten zu lieben und von den zeitgenössischen Komponisten – Krzysztof Penderecki (seine I und II Sinfonie hat er mit NDR Sinfonieorchester in Hamburg gespielt) und den Patron von NFM: Witold Lutosławski – besonders sein Cellokonzert.

Wenn Sie Maestro Eschenbach in Breslau erleben möchten, können Sie schon jetzt Karten erwerben:

4. April: „Ode an die Freude“: Programm: Ludwig van Beethoven, 9. Sinfonie d-moll op. 125 

25. April: „Die Tiefe der Seele“: Programm: A. Schönberg „Ein Überlebender aus Warschau“ op. 46*, J. Brahms „Ein deutsches Requiem“ op. 45

30. Mai: „Titan“. Das Ende der Saison der NFM Breslauer Philharmonie. Programm: A. Zubel – neue Komposition (Uraufführung), G. Mahler, Sinfonie D-dur „Titan“

Text: Małgorzata Urlich-Kornacka