„Czy jestem Niemcem?“ – Bin ich ein Deutscher?

Neuveröffentlichung von Prof. Ryszard Kaczmarek von der Schlesischen Universität Kattowitz

Das Thema ist die Auswanderung der Oberschlesier und Einwohner anderer Regionen Polens in die Bundesrepublik und die DDR.

In dem Ende Mai herausgegebenen Buch „Czy jestem Niemcem?“ (Bin ich ein Deutscher?) setzt sich der Historiker Ryszard Kaczmarek von der Schlesischen Universität in Kattowitz (Katowice) mit einem über Jahrzehnte tabuisierten Phänomen auseinander: der Auswanderung der Oberschlesier und Einwohner anderer Regionen Polens in die Bundesrepublik und die DDR.

Der Autor ist in gewisser Hinsicht selbst Zeitzeuge. Zwar hat er Oberschlesien nicht verlassen, doch erlebte er zunächst in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre den „kleinen Exodus“ und dann in der letzten Phase der Volksrepublik den „großen Exodus“ in Richtung Westen mit. Der Aderlass, von dem praktisch jede einheimische Familie betroffen war und der die ethnische Zusammensetzung der Region nachhaltig beeinflusste, ließ sich nicht übersehen. Doch die Öffentlichkeit schien ihn lange nicht wahrzunehmen – vor allem, weil das kommunistische Polen bereits in den 1950er Jahren das „deutsche Problem“ offiziell für gelöst erklärt hatte.

Ins Deutsche übersetzt lautet der Untertitel „Übersiedlungen aus Polen in die BRD und die DDR 1950-1991“. Doch ist das Themenspektrum in Wirklichkeit viel breiter. Ausführlich schildert der Autor beispielsweise das Verhältnis der Behörden der Volksrepublik zu der einheimischen Bevölkerung der 1945 von Polen übernommenen Gebiete. Vor allem die Unterlagen des Sicherheitsdienstes geben Aufschluss über die Strategien, die der kommunistische Staat gegenüber den deutschen und deutsch gesinnten Ober- und Niederschlesiern sowie Ermländern, Masuren und Kaschuben einsetzte.

Lager Friedland, Ankunft von Aussiedlern aus Polen, 1958. Quelle: Bundesarchiv B 145 Bild-F005100-0006A, Wikimedia Commons.

Ein spannendes Zeitdokument sind die von dem Historiker zitierten Berichte der Übersiedler, aber auch der Ausreisewilligen, denen man eine Übersiedlung verweigerte bzw. lange zu verweigern versuchte. Der Autor weist zudem auf einige in der kollektiven Erinnerung kaum präsente Phänomene hin, wie die Rückwanderung einer Gruppe der in der Bundesrepublik bereits aufgenommenen Übersiedler und die Auswanderung von knapp 100.000 polnischen Staatsbürgern deutscher Abstammung in die DDR.

In dem Band „Czy jestem Niemcem?” analysiert der Autor überdies die Motivationen der Aussiedler. In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg waren sie relativ eindeutig. Stark war damals unter den Ausreisewilligen der Wunsch, als Deutsche unter Deutschen zu leben, oder sich mit den durch Kriegsgeschehnisse getrennten Angehörigen zu vereinen. Mit der Zeit wurde aber die wirtschaftliche Misere und die Perspektivlosigkeit der kommunistischen Volksrepublik zum wichtigen oder sogar wichtigsten Beweggrund, der Heimat den Rücken zu kehren.

Alltag im Aussiedlerlager Friedland, 1988. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F079036-0029 / CC-BY-SA 3.0, Wikimedia Commons

Der Band enthält mehrere Tabellen mit statistischen Daten zu Übersiedlungen aus Polen in die Bundesrepublik und die DDR.

Ryszard Kaczmarek, „Czy jestem Niemcem? Przesiedleńcy z Polski do RFN i NRD w latach 1950–1991”, S. 495, Verlag: Wydawnictwo Literackie

Hier eine Leseprobe aus „Czy jestem Niemcem?“ (Polnisch) und einen Hinweis auf weitere Bücher von Ryszard Kaczmarek.

Text: Dawid Smolorz