Rubens in Schlesien

Außergewöhnliche Ausstellung in Breslau (Wrocław) widmet sich der Faszination der schlesischen Kunstschaffenden für Rubens

Neben dem „echten“ Rubens werden erstmalig Zeichnungen von Michael Willmann, dem „schlesischen Rubens“, präsentiert.

Die Ausstellung „Rubens in Schlesien“ präsentiert erstmalig künstlerische Ausdrucke der Faszination für die Kunst des genialen flämischen Barockmalers Peter Paul Rubens (1577-1640) auf dem historischen Gebiet Schlesiens. Sie kann bis zum 30. November 2025 im Nationalmuseum Breslau (Muzeum Narodowe we Wrocławiu) besichtigt werden.

Etwa 200 Exponate werden ausgestellt, darunter erstmals in Polen gezeigte Zeichnungen von Michael Willmann sowie Rubens-Grafiken aus den alten ehemaligen Breslauer Sammlungen. Für die Ausstellung wurden Werke Rubens und seiner Werkstatt aus polnischen und internationalen Sammlungen zusammengetragen. Die Kuratoren der Schau sind Dr. habil. Piotr Oszczanowski und Dr. Aurelia Zduńczyk.

Peter Paul Rubens, Die Heilige Familie mit St. Elisabeth, St. Johannes und einer Taube, 1608-1609, Los Angeles County Museum of Art © MUSEUM ASSOCIATES 2025, Quelle: mnwr.pl
Erste Kontakte Rubens‘ mit Breslau(ern)

Bereits zu Lebzeiten Rubens begann das schlesische Interesse an seinem Werk. Der Breslauer Maler Johann Lichtenstein besuchte im Jahr 1636 während einer Europa-Reise Rubens’ Werkstatt in Antwerpen, setzte sich mit dessen Malerei auseinander und kehrte anschließend nach Breslau zurück.

Lichtenstein war aber nicht der erste, der Kontakt zu Rubens suchte. Bereits Anfang 1635 hatten zwei andere Mitglieder der Breslauer Malergilde, Martin Fest und Georg Scholtz der Ältere, denselben Weg eingeschlagen. „Ihr Anliegen bezog sich aber nicht direkt auf die Malkunst. Sie versuchten, ein Dokument über den aus Breslau stammenden Maler Balthasar (Balczer) Steinmann zu erhalten, der um 1625 in Antwerpen verstarb. Rubens bestätigte nämlich mit seiner Unterschrift gegenüber den Schöffen von Antwerpen den Tod dieses ihm bekannten Malers aus Breslau“, erzählen die Ausstellungsmacher.

Ein weiterer schlesischer Künstler, Ezechiel Paritius (1622–1671), sammelte Rubens’ Werke, deren besonderer Bewunderer der herausragende Architekt und ebenso leidenschaftliche Kunstsammler Albrecht von Sebisch (1610–1688) war.

„Im 18. Jahrhundert fanden sich in fast allen großen Privatsammlungen Schlesiens Werke, die als Arbeiten Rubens galten. Auch wenn es sich dabei oft eher ums Wunschdenken der Sammler handelte, so zeigt doch die Tatsache, dass die Besitzer diese Werke stolz präsentierten, die hohe Wertschätzung des Künstlers“, sagt der Ausstellungskurator Dr. habil. Piotr Oszczanowski, Direktor des Nationalmuseums in Breslau.

Mehrere Jahre Forschung ermöglichen die Ausstellung

Der Ausstellungseröffnen gingen jahrelange Forschung und intensive Recherchen der Kuratoren in Archiven, Quellen und vor Ort voraus. Die Untersuchungen ergaben, dass sich in Schlesien hunderte wenn nicht sogar tausende Kunstwerke und kunsthandwerkliche Objekte mit Bezug zu Rubens befanden. Von einem Originalgemälde in Besitz der gräflichen Familie von Kospoth bis hin zu Zeichnungen und Kupferstichen von Rubens’ Schülern in seiner Grafikschule in Antwerpen, über Kopien und Nachahmungen in staatlichen, privaten oder kirchlichen Sammlungen und in Bibliotheken bis hin zu Textilien, Kelchen, Prunkgefäßen etc.

Bilder, Zeichnungen, Grafiken: Höhepunkte der Ausstellung

Zu den wertvollsten Exponaten zählen Gemälde Rubens’ und seiner Werkstatt aus den polnischen und internationalen Sammlungen, Rubens’ Zeichnungen aus Sammlung Albrecht von Sebischs, erstmals in Polen präsentierte Werke von Michael Willmann aus dem Museum der Schönen Künste in Budapest. Eine wahre Rarität sind auch zahlreiche Rubens-Grafiken aus den einst Breslauer Sammlungen, die nach 1945 nach Krakau und Warschau gelangten.

Eine interessante Ergänzung der Schau sind Nachahmungen Rubens’ Vorlagen Adaptationen durch lokale Künstler. Kupferstecher David Tscherning oder die Maler Martin Lauterbach und Georg Lichtenfels der Ältere adaptierten sie bereits im 17. Jahrhundert. Auch Werke von Michael Willmann, dem wohl klügsten schlesischen Nachahmer Rubens’, sind in der Ausstellung zu sehen.

Entdeckungen und Erwerbungen

Während der Vorbereitungen für die Ausstellung entdeckten Fachleute neue Fakten. Bei der im Nationalmuseum Breslau durchgeführten Restaurierung des Gemäldes „Vision des hl. Aloysius“ aus der Kirche St. Anna in Gleiwitz-Laband (Gliwice-Łabędy) kam die Signatur von P. H. Franck ans Licht, einem Künstler aus Rubens’ Werkstatt, tätig um 1650.

Die Ausstellung bot auch Gelegenheit zum Ankauf neuer Werke für die Sammlung des Nationalmuseums. So gelangten zwei von Rubens selbst geschaffene Druckplatten – eine Seltenheit – in den Besitz des Museums: „Alte Frau mit Kerze und Jüngling“ sowie „Krönung der Heiligen Katharina“.

Das Schicksal der schlesischen Kunstsammlungen

Ein wichtiges Anliegen der Ausstellung ist auch, auf die komplexe Geschichte der alten schlesischen Kunstsammlungen aufmerksam zu machen. In der Ausstellung kann man Dokumentation über verlorene oder verschollene Werke sehen. Die Besucher erfahren etwa vom Schicksal des Schlosses Briese (Pałac Brzezinka) bei Oels (Oleśnica), das heute nur noch als Ruine existiert. Vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte es der Familie von Kospoth, Besitzer einer beeindruckenden Kunstsammlung, die auch Rubens’ „Heilige Familie mit Taube“ umfasste. Eine Reproduktion dieses Bildes – heute im County Museum of Art in Los Angeles – wird als Leitmotiv der Ausstellung benutzt und ist auf Werbematerialien sichtbar.

Das bedeutendste Werk aus Briese (Brzezinka), ein barockes Deckenbild mit Apollo und den Musen von Johann Franz de Backer, einem Künstler aus Antwerpen, wurde nach dem Krieg gerettet und gelangte, leider in sehr schlechtem Zustand, in die Sammlung des Nationalmuseums, wo es bald restauriert und öffentlich gezeigt werden soll.

Die in der Ausstellung „Rubens in Schlesien“ gezeigten Objekte stammen aus den eigenen Beständen des Nationalmuseums sowie aus weiteren kirchlichen und musealen Sammlungen, auch aus dem Ausland. Darunter sind Werke, die erstmalig in Polen zu sehen sind. Sie belegen den enormen Einfluss der Rubens-Schule auf schlesische Künstler.

Text: Redaktion SILESIA News
Quelle: Muzeum Narodowe we Wrocławiu, Gazeta Wrocławska, wroclaw.pl 
Bilder: Muzeum Narodowe we Wrocławiu