Der Literaturnobelpreisträger aus Schlesien war zu Lebzeiten hochverehrt
Zwei ungewöhnliche Geschenke zu seinem 60. Geburtstag 1922 zeugen von seiner enormen Beliebtheit unter den Zeitgenossen.
Am 15. November 1862 wurde der niederschlesische Nobelpreisträger für Literatur Gerhart Hauptmann geboren. Wie hat sich der spätere Dramatiker und Schriftsteller an seinen Geburtstag erinnert? „Die Feier wurde alljährlich mit Geschenken, Kuchen, Lichtern und Blumen gewissenhaft eingehalten. Der Geburtstag fiel glücklicherweise in den Monat November, in die stille, dem Familienleben gehörende Winterzeit. Im turbulenten Gästebetrieb des Sommers würde man seiner kaum oder nur nebenher gedacht haben“ – schrieb Hauptmann in dem autobiographischen Buch „Das Abenteuer meiner Jugend“.
Seine Eltern betrieben viele Jahre lang in Obersalzbrunn (heute Szczawno Zdrój) den Gasthof „Zur Preußischen Krone“. Im Sommer bedeutete das so viel Arbeit, dass niemand Zeit hatte, sich mit den Kindern zu beschäftigen. Und so genoss der kleine Junge im Sommer die Freiheit. Er ging ungehindert in die Weberhütten und zu den Elendsquartieren der Bergleute aus dem nahen Industrie- und Kohlenbezirk. Er beobachtete zugleich die „hohe Gesellschaft“, die zu den Kuren nach Obersalzbrunn kam. Bestimmt deshalb hatte er später die Leichtigkeit, so genial die Charaktere der Leute, die in seinen Werken dargestellt wurden, zu beschreiben. Gerhart Hauptmann war aber kein guter und fleißiger Schüler: „Ihr Bösewichter! war Lehrer Brendels tägliche Anrede, wobei ihm die Augen übergingen vor Wut. Ihr Taugenichtse! klingt es mir noch heut im Ohr. Und wirklich, diese Bezeichnung als Taugenichts war bei mir in Bezug auf die Schule gerechtfertigt. Ich konnte nicht leben ohne Licht, Luft und freie Natur und ohne das einsame robinsonale Leben und Selbst-bestimmungsrecht in alledem. Schularbeiten hasste ich“ – gab Hauptmann selbst in dem „Abenteuer meiner Jugend“ zu.
Auch in der Schule in Breslau (Realschule am Zwingerplatz) war nicht anders. Das störte ihn aber nicht, sich später künstlerisch und literarisch zu entwickeln und letztendlich berühmt zu werden. Die runden Geburtstage vom berühmten Literaten Gerhart Hauptmann wurden immer sehr feierlich begangen. Es gab auch besondere Geschenke.
Rechts: „Phantom“ – ein „Breslauer“ Film, in dem die Stadt nicht einmal auftaucht. Aber die Filmtafel hängt am Rathaus – so originaltreu wurde die Stadt dargestellt.
An erster Stelle könnte man das Geschenk von dem berühmten Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau nennen, der 1922 zu Hauptmanns 60. Geburtstag seine Erzählung „Phantom“ verfilmte. Das Besondere dabei ist, dass der Zuschauer in den ersten Sekunden des Stummfilms Gerhart Hauptmann persönlich sieht, wie er auf einem Feldweg einen „produktiven Spaziergang“ macht (typisch für Hauptmann waren die langen Spaziergänge, auf denen er seine Gedanken und Überlegungen sammelte). Die Szenen wurden wahrscheinlich in Agnetendorf (heute Jagniątków) aufgenommen. Weitere Handlung des Filmes spielt schon in Breslau, obwohl der Name der Stadt im Film überhaupt nicht auftaucht (im Gegenteil zu der Erzählung). Man sieht aber das Breslauer Rathaus mit der Uhr aus dem 16. Jahrhundert und den Pranger. Deshalb sind wir sicher, dass hier gedreht wurde. Wenn man sich aber den Film genau anschaut, merkt man, dass das nur eine Täuschung aus Pappkarton ist. Das Rathaus, das Wahrzeichen der Stadt, und die Bürgerhäuser wurden originaltreu auf dem Gebiet der Decla-Bioscop in dem heutigen Babelsberg in Potsdam errichtet. Der Film war der „offizielle Beitrag der deutschen Filmindustrie“ zum 60. Geburtstag des Schriftstellers.
Und das zweite ungewöhnliche Geschenk zum 60. Geburtstag? Hauptmanns Freund, der schlesisch-jüdische Unternehmer, Sammler und Mäzen Max Pinkus ermöglichte ihm finanziell die Ausmalung der Halle in seiner Villa Wiesenstein. Hauptmann beauftragte seinen anderen Freund, den Grafiker und Maler Johannes Maximilian Avenarius, der ihn vorher schon mehrfach porträtiert hatte und gerade in finanzieller Not war. Fast acht Monate lang zwischen Januar und September 1922 arbeiteten Avenarius und sein Assistent Ernst Paul in Agnetendorf und schufen wunderschöne Polychromie mit den Motiven aus Hauptmanns Werk und Leben, vermischt mit den biblischen und schlesischen Szenen. „Wer gab einem Schaffenden in Not wohl je als Trost eine so große und herrliche Aufgabe?! Die Gespenster meiner Nöte waren verjagt – was sollte ich noch groß berichten? Es war ein Rausch ohnegleichen, mir war ganz taumelig zu Mute. «So, wie Sie Ihre Geschichten immer erzählen», schloss Hauptmann, «so sollen Sie das malen! Fabulieren Sie nur darauf los, Sie wissen, ich liebe das! »“ – so beschrieb den Auftrag Avenarius in seinem Tagebuch.
Text und Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka