Alte schlesische Tradition der Weihnachtszepter wird wiederbelebt

Umweltbewusst, nachhaltig und trotzdem traditionsverpflichtet – eine Alternative zum Weihnachtsbaum?

Zepter Marke Eigenbau: Die Engagierte Stadt Görlitz liefert kostenlose Bauanleitung.

Weihnachten ohne Weihnachtsbaum ist in unseren geografischen Graden kaum vorstellbar. Bevor die Weihnachtsbäume, wie wir sie heute kennen, zu einem obligato-rischen Bestandteil der Weihnachtsdekoration wurden, hatten viele niederschlesische Häuser einen ganz anderen Schmuck. Diese Dekoration wurde als Lichtzepter, Weihnachtszepter oder auch Weihnachtspyramide bezeichnet.

In Görlitz kennt man heutzutage die Lichtzepter als Dekorationselemente beim Schlesischen Christkindelmarkt. Dieses Jahr schmücken sie den Postplatz.

Lichtzepter auf dem Postplatz in Görlitz, Fot. Axel Lange

In Görlitz bemüht sich eine Gruppe um die „Engagierte Stadt“ (Görlitz für Familie e.V.) um die Wiederbelebung dieses alten schlesischen Brauchs als nachhaltiger, ökologischer Alternative für den Weihnachtsbaum. Zuerst aber: Was ist ein Weihnachtszepter?

Geschichte…

Die bis zu drei Meter hohen Zepter waren aus einer Spindel mit mehreren Holzreifen gefertigt. Die Reifen boten Platz für Kerzen und wurden zusätzlich festlich geschmückt. Dazu verwendete man kleine Sträußchen aus Buchsbaum, gedrechselte und golden bemalte Holzäpfel, Lametta und Glaskugeln. Auf den einzelnen Ebenen des Zepters wurden Darstellungen der Weihnachtsgeschichte platziert. Die theatralische Komposition wurde mit Figuren der Heiligen Familie, Engeln, Hirten und sogar Ansichten von Dörfern und Städten gefüllt. Ursprünglich aus Holz geschnitzt, wurden sie später durch Figuren und Elemente ersetzt, die aus speziell bedruckten Bögen ausgeschnitten wurden. Jedes Zepter hatte zusätzliche Kerzenhalter.

Modell eines Weihnachtszepter Riesengebirgsmuseum (Muzeum Karkonoskie) in Hirschberg/ Jelenia Góra.

Die Weihnachtszepter waren ein wertvolles, sorgfältig aufbewahrtes Familienerbstück. Die prachtvollsten Dekorationen konnten eine Höhe von bis zu 3,5 m erreichen und die Anzahl der darauf angebrachten Kerzen erreichte 32. Die Zepter wurden am Morgen des Heiligen Abends in die Kirche gebracht und dann in den oberen Stockwerken der Kirchenempore aufgestellt. Das feierliche Anzünden der Kerzen fand jedoch nur während des Abend-gottesdienstes statt.

Das Aufstellen des Licht- oder Weihnachtszepters war in einigen Gegenden des protestantischen Niederschlesiens ein langer Brauch, der 1698 erstmals erwähnt wird. Sehr verbreitet war sie auf dem Gebiet um Löwenberg/ Lwówek Śląski, Goldberg/ Złotoryja und Jauer/ Jawor. Im 19. Jahrhundert verdrängte der bunt geschmückte Weihnachtsbaum langsam die Zepter, so dass sie in weiten Teilen Schlesiens bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts verschwunden waren.

In Probsthain/ Proboszczów (Kreis Goldberg) aber lebte diese Tradition bis Weihnachten 1944 fort. In zwei Teile zerlegt, konnten die zu Hause geschmückten Zepter am Heiligen Abend zum Weihnachtsgottesdienst in die Kirche getragen werden, um dort in vorbereiteten Positionen auf der obersten von drei Emporen angebracht zu werden. So entstand in der Probsthainer Kirche eine besonders eindrucksvolle Kulisse: 24 Zepter und bis zu 1000 Kerzen erleuchteten die Kirche und erzeugten eine sehr feierliche Atmosphäre. Diese Tradition war vor 1945 weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt und viele Gäste von außerhalb besuchten deshalb die Christnacht in diesem Ort. Zusammen mit den vertriebenen deutschen Bewohnern des 1945 polnisch gewordenen Schlesiens hat auch diese Weihnachtstradition die Region verlassen.

Gegenwart…

Auf Anregung eines Görlitzers und Freundes des schlesischen Brauchtums hat in den letzten Tagen der Verein Görlitz für Familie e.V. den Versuch unternommen, auf die Tradition des Weihnachtszepters aufmerksam zu machen und zu beleben. Die Projektkoordinatorin vom Familienbüro Görlitz, Lisa Bail, war schon lange auf der Suche nach einer schönen Alternative zum Weihnachtsbaum. Ihre Beweggründe wurzeln in ihrem Umwelt-bewusstsein. „Denn natürlich kann es nicht gut sein, einen Nadelbaum, der in einer Monokulturplantage heranwuchs, für einen kurzen Zeitraum mit Schmuck und Lichtern in unser Wohnzimmer zu stellen und ihn dann in den letzten Januarwochen neben der Biotonne entsorgen zu lassen.“

Dank eines Bausatzes für ein Lichtzepter von dem Freund des schlesischen Brauchtums konnte die Görlitzer Grafikerin Jördis Heizmann eine Bauanleitung herstellen, die online verfügbar ist – für alle, die sich Weihnachten von ihrem Weihnachtszepter Marke Eigenbau erleuchten lassen möchten. Schade nur, dass die Baumärkte geschlossen bleiben. Aber den Bauplan kann man sich schon jetzt für das nächste Jahr herunterladen und speichern, denn eins steht fest: Alle Jahre wieder…

… Zukunft!

Lisa Bail schaut nach vorn: „Dieses Jahr ist es natürlich zu spät für eine Großauflage aber wieso sollten zukünftig nicht in unserer Region gefertigte Weihnachtszepter in die Welt hinausziehen. Kleine Handwerksbetriebe, Ausbildungs- oder Behindertenwerkstätten könnten diese relativ simple Konstruktion vielleicht auf Bestellung anfertigen und direkt vermarkten. Die Zeit ist reif für den bereits von vielen Menschen angestrebten nachhaltigen Konsum und diese Zepter sind ideal, um Weihnachten nichts vermissen zu müssen und trotzdem die ganze Familie zu erfreuen.“

Wir begrüßen diese Initiative ausdrücklich und werden sie im kommenden Jahr nach Kräften unterstützen. Für dieses wünschen wir Allen fröhliche Weihnachten! 

Text: Agnieszka Bormann

Quelle für historische Informationen und Fotos: “Die schlesischen Weihnachtszepter in und um Probsthain” von Ullrich Junker, zugänglich in der Jeleniogórska Biblioteka Cyfrowa (Hirschberger Digital-Bibliothek) unter Weihnachtszepter.

Quelle für aktuelle Informationen: Ein vergessener Brauch und eine Alternative zum Tannenbaum – Engagierte Stadt Görlitz