Vor hundert Jahren wurde in Löwenberg/ Lwówek Śląski das spätere Boberhaus eröffnet

Sein Architekt war Hans Poelzig, Professor und Direktor der Königlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule Breslau

Eine deutsch-polnische Initiative engagiert sich für die Wiedererrichtung des 1945 zerstörten Boberhauses.

Vor Wintereinbruch 1910/11 eröffneten die Bauherren Max und Elisabeth Zwirner in Löwenberg/Schlesien (heute Lwówek Śląski) ihr neues Wohnhaus. Sie hatten es für sich selbst und für sechzig Schüler des dortigen Gymnasiums errichten lassen. Zunächst hieß dieses einladende Bauwerk „Landhaus Zwirner“, wenig später „Haus Fichteneck“ und schließlich ab 1926, nun in Trägerschaft der fortschrittlichen Jugendorganisation Schlesische Jungmannschaft, “Boberhaus“. Letztere Bezeichnung bezieht sich auf den im Riesengebirge entspringenden Fluss Bober, der auf seinem Weg zur Oder das Städtchen Löwenberg berührt.

Das erste veröffentlichte Foto dieses äußerlich reizvollen und im Inneren vollendet gestalteten „Landhauses Zwirner“ verdanken wir dessen Architekten Professor Hans Poelzig (30. April 1869 bis 14. Juni 1936) persönlich, der jenes Bild unmittelbar zum Zeitpunkt der Einweihung „schoss“ und den „Schlesischen Heimat-Blättern Heft 1 April 1911“ überließ. Dieses hier abgebildete Foto bereicherte damals einen Aufsatz des Professors Theodor Effenberger, der die für Schlesien bis dahin einmaligen Vorzüge Poelzigs Bauweise hervorhob: äußerlich die weite Südterrasse an einer Sandstein-formation, vorgezogenes Satteldach, feingliedriger Erker, farbliche Gestaltung; im Inneren die klare Gliederung der Wirtschafts- und Küchenräume im Erdgeschoss, Wohn-, Ess-, Musikräume und Bibliothek im ersten Stock, die Schlafzimmer darüber.

Viele junge Leute, anfangs Schüler und dann junge Erwachsene, fanden in dieser schönen Einrichtung Bedingungen vor, die sie vom häuslichen Umfeld kaum kannten. Der ziel-strebige Baumeister Poelzig hatte auf solide Art die Erwartungen der Bauherrenfamilie Zwirner in knapp zwei Jahren Bauzeit realisiert, nannte dies sogar seinen „schönsten Auftrag, den er gern für sich wiederholt hätte!“ (vgl. Theodor Heuss, Hans Poelzig. Das Lebensbild eines deutschen Baumeisters, Tübingen 1947 – Anmerkung: Heuss war von 1949 bis 1959 erster Bundespräsident der BRD). Poelzigs Umgebung war voll des Lobes über ihn, doch keiner ahnte, dass diese Villa im Februar 1945 nach nur 35 Jahren der Existenz zur Ruine verfallen würde, zuvor von den Nazis missbraucht.

Boberhaus Ruine und Gärtnerhaus, Fot. Robert Zawadzki.

Schauen wir achtungsvoll auf Professor Hans Poelzigs Leben als deutscher Architekt, Maler, Bühnenbildner und Hochschullehrer. Dem Abitur am Victoria-Gymnasium Potsdam schloss sich sein Studium für Hochbau an der TH Berlin-Charlottenburg an. Es  folgte Hans Poelzigs Einsatz zunächst als Lehrer für Stilkunde, dann als Direktor der Königlichen Kunst- und Kunstgewerbeschule Breslau. Gemeinsam mit seinen Studenten vollbrachte er in jener Zeit unter anderem den Umbau des Löwenberger Rathauses mit Einrichtung dessen Jugendstil-Trauzimmers und den Bau des „Landhauses Zwirner“/“Hauses Fichteneck“/ “Boberhauses“. Von 1916 bis 1920 wirkte Prof. Hans Poelzig in Dresden als Stadtbaurat und erfüllte zugleich einen Lehrauftrag an der TH Dresden (später TU). Für seine kühnen Vorhaben – Entwürfe zu einer Feuerwache, einem städtischen Verwaltungsgebäude und einer Doppelschule – erwiesen sich die Kriegs- und Nachkriegsjahre als völlig ungeeignet. Unzufrieden ging er in der Geburtsstadt Berlin zur Akademie der Künste, wo seine reichhaltigen Verdienste nach Machtergreifung der Nationalsozialisten als „entartet und eines Deutschen unwürdig“ verpönt wurden. Infolge mehrerer Schlaganfälle am 14. Juni 1936 verstorben, wurde er auf dem Dorffriedhof Berlin-Wannsee beigesetzt; sein Grab ist gepflegt.

Wenngleich Hans Poelzig in seiner Dresdner Zeit im krassen Unterschied zu Schlesien aus dargestellten gesellschaftlichen Hintergründen keine weiteren „großen Würfe“ gelingen konnten, bleibt er dennoch in Sachsen gegenwärtig: Er ist Architekt u. a. der Staumauer an der Wilden Weißeritz bei Klingenberg (Bauzeit 1908 bis 1914); 1920 sein rein privat errichtetes Mausoleum für den Stifter des Deutschen Hygiene Museums und „Odol-König“ Karl August Lingner unterhalb des gleichnamigen Elbschlosses; 1926 gemeinsam mit seiner Ehefrau Marlene Moeschke-Poelzig im Dresdner Großen Garten den Mosaikbrunnen anlässlich der Internationalen Gartenbauausstellung errichtet, unlängst erneut saniert.

Wir haben bereits dargestellt (SILESIA News berichtete), dass unsere polnische Partnerorganisation, LTR Lwóweckie Towarzystwo Regionalne (Vorsitzender Robert Zawadzki), und der Städtepartnerschaftsverein Heidenau e. V., (Vorsitzender Peter Mildner), den Wiederaufbau des Boberhauses / Dom nad Bobrem als europäisches Jugendzentrum anstreben.

Boberhaus-Modell, Diorama Fot. Christian Gebhardt.

Auf steinigem Weg zu diesem bedeutsamen Ziel – auch um somit Professor Hans Poelzig zu ehren – entstand Rainer Dierchens detailgetreues Boberhaus-Modell mit den Abmessungen 560 x 560 x 425 mm als Ausstellungs- und Werbegegenstand, was allerdings, bedingt durch die Pandemie, öffentlich noch nicht zur Geltung kommen kann. Für 16. April bis 16. Mai 2021 ist eine Präsentation des Modells und des gesamten Projektes im Schlesischen Museum zu Görlitz geplant.

Sie können aber auch jederzeit unsere Arbeit an dem Vorhaben mit einer Spende unterstützen:

Empfänger        LTR Lwówek Śląski
IBAN                     PL53 1090 1939 0000 0001 4500 7069
BIC                         SCFBPLPWXXX
Verwendung     Projekt Boberhaus II

Text und Fotos: Werner Guder, Städtepartnerschaftsverein Heidenau e. V.; Tel. 0351/2815616; E-Mail: werner.guder@gmx.de