Oberschlesisch – die Sprache der (nicht nur) slawischen Einwohner der Region

In Polen wird über den offiziellen Status des Slawisch-Oberschlesischen diskutiert

Bei der letzten Volkszählung 2011 gaben mehr als eine halbe Million polnische Bürger Oberschlesisch als ihre Haus- bzw. Umgangssprache an.

Auch für einige Zehntausend tschechische Staatsangehörige aus dem Raum Hultschin/ Hlučín und Tschechisch-Teschen/ Český Těšín ist es die Muttersprache. Offiziell gilt Oberschlesisch auf beiden Seiten der Grenze als polnischer Dialekt, doch werden mittlerweile Versuche unternommen, ihm ähnlich des Kaschubischen den Status einer Regionalsprache zu verleihen. Der 2010 gestellte Antrag wurde zwar vom Warschauer Ministerium für Inneres und Verwaltung abgelehnt. In Zukunft ist aber mit weiteren Initiativen zu rechnen, und zwar nicht nur, weil immer mehr Oberschlesier ihre Muttersprache für mehr als nur einen Dialekt halten. Auch einige Wissenschaftler – selbst von außerhalb der Region – sind mittlerweile der Auffassung, dass wir es beim Oberschlesischen mit einer separaten westslawischen Sprache zu tun hätten.

Plakat der Bewegung für die Autonomie Schlesiens, mit dem 2011 geworben wurde, bei der Volkszählung die oberschlesische   Nationalität und Sprache anzugeben, Foto: Dawid Smolorz.

Die Arbeiten an der Kodifizierung sind weitgehend abgeschlossen. In niedrigen Auflagen erscheinen heute Bücher auf Oberschlesisch. In diesem Dialekt (dieser Sprache?) sind u.a. „Der kleine Prinz“ (Mały Princ), „Winnie Puuh” (Niedźwiodek Puch), aber auch „Drach“, ein Roman von Szczepan Twardoch erhältlich.

Umschlag der oberschlesischen Ausgabe von „Der kleine Prinz“.

Zu deutscher Zeit wurde Oberschlesisch oft verächtlich „Wasserpolnisch“ genannt und im kommunistischen Polen für einen vom Deutschen beeinflussten Jargon ungebildeter Menschen gehalten. Zwar war der Gebrauch des Oberschlesischen in der Öffentlichkeit nach 1945 nicht verboten, häufig aber nicht gern gesehen und vor allem bei Schulkindern verspottet und gebrandmarkt. Da es sehr viele Entlehnungen aus dem Deutschen enthält und zum Teil beim slawischen Wortschatz für das Deutsche charakteristische Konstruktionen verwendet, erinnerte es zu stark an die tabuisierte deutsche Vergangenheit der Region. Gleichzeitig war der Gebrauch des slawischen Dialekts damals für viele deutsche und deutsch gesinnte Oberschlesischer auch eine Manifestation des Andersseins oder eine Art Ersatz für die vor 1989 verbotene deutsche Sprache.

Auch heute bleibt das Oberschlesische, obwohl in einer immer mehr von der polnischen Standardsprache beeinflusster Version, vor allem in den ländlichen Gebieten zwischen Oppeln/Opole und Kattowitz/ Katowice und zwischen Rosenberg/ Olesno und Jablunkau/ Jablunkov sowie in einigen Industriestädten eine stark verbreitete Kommunikationssprache. Im Rybniker Land wird der Dialekt manchmal sogar scherzhaft als inoffizielle Amtssprache bezeichnet, weil dessen Gebrauch weit über die Privatsphäre hinausreicht. Im Dezember vergangenen Jahres machte ihn Łukasz Kohut parlamentsfähig. Bei einer Plenardebatte über bedrohte Sprachen im Europaparlament hielt der Abgeordnete nämlich einen Teil seiner Rede auf Oberschlesisch.

Grabinschrift auf Oberschlesisch im tschechischen Teil der Region, Quelle: Wikimedia Commons, Qasinka.

Text: Dawid Smolorz