Online-Lexikon der Juden aus Hindenburg/ Zabrze

Ein Internetprojekt des Städtischen Museums in Hindenburg

Auf Initiative von Piotr Hnatyszyn entstand eine umfangreiche Sammlung über die jüdischen Bürger einer der größten Städte Oberschlesiens.  

Seit 2014 recherchiert der Historiker Piotr Hnatyszyn in oberschlesischen Archiven und Standesämtern sowie in  elektronisch zugänglichen Quellen aus Deutschland und Israel. Wie er schätzt, habe er bisher mehrere hunderttausend Dokumente, Publikationen und Zeitungen ausgewertet. Das von dem Historiker initiierte Internetportal heißt „Słownik Żydów w Zabrzu“, also Lexikon der Juden in Hindenburg, denn Hnatyszyn berücksichtigt darin nicht nur die jüdischen Bürger, die in der Stadt geboren wurden, sondern auch jene, die dort nur zeitweise gelebt haben. Die kurzen Biogramme wurden zwar in polnischer Sprache verfasst, der deutschsprachigen Einführung sind jedoch hilfreiche Informationen zur Nutzung des Portals zu entnehmen.

Titelseite des Portals.

Dank eines kleinen Wörterbuchs, des intuitiven Aufbaus und der Angabe von Ortsnamen jeweils in ihrer deutschen und polnischen Variante sind die Informationen aus dem „Lexikon“ auch für deutschsprachige User weitgehend verständlich. Derzeit sind im Portal Biogramme von 3302 Personen und 6880 Illustrationen zu finden (historische Fotografien, Presseausschnitte und Werbematerialien). Eine Herausgabe des Lexikons ist wegen seines großen Umfangs nicht geplant.

Bei seinen Recherchen machte Hnatyszyn mehrere interessante Erkenntnisse. Beispielweise lebte in Hindenburg zeitweise der heute vergessene Schriftsteller Gerhard Podbielski, der in den 1930er Jahren den Science-Fiction-Roman „Die Kindheit des Herzens“ geschrieben hat (erschienen 1936 in Zürich). Podbielski überlebte den Holocaust, da er 1940 über England nach Australien emigrieren konnte. Wie die große Mehrheit der oberschlesischen Juden hatten auch jene aus Hindenburg eine starke deutsche Gesinnung. Der Historiker konnte feststellen, dass einige Angehörige der jüdischen Gemeinde in Hindenburg in der stürmischen Periode 1919 bis 1921 im Kampf gegen die polnischen Aufständischen fielen und der örtliche Rabbiner Saul Kaatz für seine Verdienste in der Abstimmungszeit sogar das Schlesische Bewährungsabzeichen erhielt.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde er trotzdem wie die ganze Gemeinschaft verfolgt und in der letzten Holocaust-Phase ermordet. Hnatyszyn weist auf den Umstand hin, dass einer nicht geringen Gruppe der Hindenburger Juden die Auswanderung gelang, bevor die Verfolgungen ihren Höhepunkt erreichten. Die Geschichte der deutschen Juden in Hindenburg ging 1942 mit der Deportation der letzten Gruppe jüdischer Mitbürger in ein Vernichtungslager zu Ende.

Biogramm des Rabbiners Saul Kaatz (Fragment).

Seit der Inbetriebnahme des Portals melden sich bei Hnatyszyn immer wieder Nachkommen jüdischer Familien aus Hindenburg, die heute in Israel, Deutschland, den USA und vielen anderen Ländern der Welt leben. Mehrere von ihnen entschlossen sich bereits, nach der Lektüre der Biogramme aus dem Lexikon, die Stadt ihrer Vorfahren zu besuchen.

Text: Dawid Smolorz

Link zum Portal.