Olga Tokarczuk kauft in Neurode/ Nowa Ruda die Villa Rose aus dem 19. Jh.

Zusammen mit vier anderen Personen will sie hier einen neuen kulturellen Ort etablieren

Da der Ort schon immer mit gedrucktem Wort verbunden war, ist Johannes Gutenberg der Schirmherr des Projektes.

Die Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk hat Mitte April 2021 eine Villa in Neurode/ Nowa Ruda (Graftschaft Glatz) gekauft. Die wie ein Schlösschen aussehende Immobilie aus dem 19. Jahrhundert hat sie zusammen mit ihrem Mann und drei Besitzern des nahe liegenden Schloss Scharfeneck / Zamek Sarny in Ścinawka Górna gekauft.

Olga Tokarczuk ist seit langem mit der Stadt und Region um Nowa Ruda verbunden. Bislang lebte sie jedoch vorübergehend in dem kleinen Dorf Krajanów. Nun wird sie ihre Aktivitäten in das historische Zentrum von Nowa Ruda verlegen. Die erworbene historische Villa gehörte vor dem Krieg der Familie Rose. Höchstwahrscheinlich wurde sie 1886 erbaut, denn auf dem Dach des Türmchens befindet sich eine Plakette mit diesem Datum.

Viel früher, im Jahre 1836, gab der Autor und Leihbuchhändler Wilhelm Wenzel Klambt zum ersten Mal die Wochenzeitung „Der Hausfreund“ im niederschlesischen Neurode heraus. 1843 gründete er eine eigene Druckerei. 1882 verkaufte er den Verlag an seinen Schwiegersohn Georg Rose, der 1886 die Villa Rose direkt an der Druckerei errichtete. Davor ließ er eine Statue von Johannes Gutenberg, dem Erfinder des ersten industriellen Druckverfahrens, setzen, der auch zum Schirmherr des neuen Ortes wird. Der Verlag und die Druckerei wuchsen schnell, 1906 gab es Zweigstellen in Hamm und Speyer. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat der immer noch exisitierende und auf Frauenzeitschriften spezialisierte Verlag seinen Hauptsitz in Speyer.

Inspiriert von der Drucktradition des Hauses haben die fünf Investoren erklärt, in der Villa ein Gästehaus zu errichten, dessen Räume auch für Kultur- und Bildungsaktivitäten genutzt werden sollen. Das Gästehaus soll die finanzielle Sicherung für die hier stattfindenden kulturellen Veranstaltungen garantieren.

Johannes Gutenbergs Statue an der Villa Gutenberg, Fot. M.Urlich-Kornacka.

Eine ähnliche Nutzung erlebte das Haus schon früher. Im Jahr 1988 wurde es umfassend renoviert. Es gab eine Kantine, einen Lesesaal und einen Konferenzraum, eine Zeit lang auch eine Pension und Unterrichtsräume. Im Jahr 2018 versuchte die Gemeinde, das Gebäude zu verkaufen, jedoch ohne Erfolg. Diesmal war die Ausschreibung vom Erfolg gekrönt. Die Immobilie wurde für 511.000 PLN verkauft. Ausgerufen wurde der Einstiegspreis in Höhe von 506.000 PLN (1 Euro = 4,5 PLN).

Die neuen Investoren wollen die Villa auch in das Programm des jährlich stattfindenden Literaturfestival Góry Literatuy (Literaturberge) aufnehmen, das seit 2015 im Sommer an unterschiedlichen Orten der Region namhafte polnische Autoren präsentiert. Das Festival wurde von Olga Tokarczuk initiiert, ab 2021 wird es auch von ihrer Stiftung (Fundacja Olgi Tokarczuk) organisiert. Am 21. Mai 2021 erhalten die neuen Eigentümer die notarielle Urkunde. Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 beginnen die Bauarbeiten an diesem Objekt – unter Aufsicht des Denkmalschutzes.

Mit dem neuen kulturellen Ort will Olga Tokarczuk der Stadt Nowa Ruda einen Schub, einen neuen Impuls für die Entwicklung geben. Die Villa Rose, ab jetzt Villa Gutenberg befindet sich ja im Stadtzentrum nahe der großen Druckerei, die nach dem Krieg in eine Schule umgewandelt wurde. Die Rose waren reich, und die Villa ist eine der repräsentativsten in der Stadt. Sie steht auf einem Hügel, von dem aus man einen großen Teil von Nowa Ruda sehen kann. Trotz jahrelanger Vernachlässigung wird das Gebäude, wenn die neuen Eigentümer ihre Pläne durchsetzen, ein architektonisches Kleinod mit großer Anziehungskraft werden.

Text: Agnieszka Bormann

Fotos: Małgorzata Urlich-Kornacka
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