Heute liegt ein großer Teil seiner Güter in der polnischen Oberlausitz, in der Wojewodschaft Niederschlesien
Seit einigen Jahren inspiriert die Figur von Gersdorfs kulturelle und wissenschaftliche Aktivitäten in dieser Region.
Es gibt nicht viele Persönlichkeiten aus Schlesien oder der Oberlausitz, die von Deutschen und Polen gleichermaßen bewundert werden. Einer von diesen wenigen ist aber zweifelsohne Adolf Traugott von Gersdorf. Ein echter Oberlausitzer, mit einem Nachnamen, der so tief in der Vergangenheit verwurzelt ist, dass es schwer zu sagen ist, woher er stammt. Nach den ältesten Aufzeichnungen sind die Wurzeln wahrscheinlich im 12. Jahrhundert in Thüringen zu suchen.
Adolf Traugott von Gersdorf, geboren am 20. März 1744 in Niederrengersdorf bei Görlitz und gestorben am 16.06.1807 in Meffersdorf (später Wigandsthal, heute Pobiedna im Kreis Lubań, Wojewodschaft Niederschlesien), Mitbegründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften, die einen kolossalen Beitrag zur Aufklärung des Landes zwischen Spree und Neiße leistete, wird seit etwa 20 Jahren von Polen entdeckt und vertieft. Der Grund dafür war nicht nur das materielle Erbe, das er am Fuße des Isergebirges hinterließ: das stattliche Schloss in Pobiedna, den Aussichtsturm in Gierałtówek (deutsch Neu Gebhardsdorf) und die dazu führende Schwarze Allee. Schließlich haben andere deutsche Adlige viel eindrucksvollere architektonische Spuren in Polen hinterlassen.
Es ist seine Biographie als Wissenschaftler, Forscher und Freimaurer, die ihm viel Sympathie verleiht. Er lebte und wirkte vor dem Nationalismus des 19. und 20. Jahrhunderts, hatte sein Leben der Wissenschaft und der Kunst gewidmet und war zugleich ein “guter Herr”, wie ihn seine Zeitgenossen nannten. Diesen Titel verdiente er sich zum Beispiel durch die Befreiung seiner Untertanen in den Jahren 1779-80, aber auch dadurch, dass er ihnen verschiedene Arbeitsplätze zur Verfügung stellte (heute würden wir das Sozialpolitik nennen) und sie in den schlimmsten Jahren der Missernten unterstützte.
Aber das vielleicht Beeindruckendste an von Gersdorf ist das, was er in seinen Bibliotheken und in seinem Arbeitszimmer hinterlassen und dem Museum in Görlitz testamentarisch vermacht hat. In den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur, d. h. im Kulturhistorischen Museum im Barockhaus auf der Neißstraße 30 sowie in der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften gibt es eine einzigartige, geschlossene mineralogische Sammlung, eine Vielzahl elektrostatischer Maschinen und wissenschaftlicher Instrumente sowie seine der Öffentlichkeit noch unbekannte Zeichnungen, die im Zusammenhang mit seinen zahlreichen Wanderungen entstanden sind. Es ist schwierig, alles zu erwähnen – es lohnt sich einfach, das Kulturhistorische Museum in Görlitz zu besuchen.
Es ist bemerkenswert, dass die Person und das Erbe von Gersdorfs nun von Polen wahrgenommen wird, auch von den Polen, die sich nicht selbstverständlich für die regionale Geschichte oder historische Persönlichkeiten interessieren. Und es gibt Menschen in der Oberlausitz und in Schlesien, die sich davon inspirieren ließen.
Bereits 2007, zum 200. Todestag von Adolf Traugott von Gersdorf, stifteten einige Einwohner und Freunde von Pobiedna eine Gedenktafel (in Polnisch und Deutsch) auf dem örtlichen Friedhof, wo der Freiherr nach seinem Tod beigesetzt wurde. Nach einigen Jahren blühte in Świeradów-Zdrój (Bad Flinsberg) die Idee auf, Mon Plaisir, den von A.T. von Gersdorf erbauten astronomischen Turm (sein Bau war eine der Interventionsarbeiten zur Unterstützung armer Bauern) in seine frühere Funktion zurückzuführen.
Schon einige Jahre vor der Idee hatten Astronomen von der Universität Wrocław und örtliche Förster das Isergebirge als einen der dunkelsten Orte Polens identifiziert, der sich hervorragend für astronomische Beobachtungen eignet. Der nahegelegene Iser Dark Sky Park (Izerski Park Ciemnego Nieba), das erste derartige Gebiet in Europa und das zweite weltweit, begann die Aufmerksamkeit von Astronomen und Touristen auf sich zu ziehen, so dass der Turm eine perfekte Ergänzung dazu wäre. Und obwohl der Turm aus verfahrenstechnischen und finanziellen Gründen bis heute als Ruine dasteht, ist die Idee nicht ausgelöscht worden. Noch immer plant man in Świeradów Zdrój und Pobiedna die Revitalisierung des Wilhelmsturms (ein Zweitname aus der Kaiserzeit).
Zur gleichen Zeit wurde Adolf Traugott von Gersdorf zum Prototyp des “Maskottchen-Symbols” des wissenschaftlichen Projekts im Bereich Astronomie namens WYGASZ [ein Wortspiel aus dem Vokativ ‘wygaś’ (mach das Licht aus!) und Substantiv]. Das vom polnischen Wissenschaftsministerium im Rahmen des Programms „Copernicus‘ Pfade“ finanzierte Vorhaben ermöglichte die Ausbildung von mehreren Dutzend Lehrern und Leitern der Jugendarbeit im Bereich Astronomie und Bidungsprojekte. Der Schirmherr der Workshops im Isergebirge, im Gebiet des Dark Sky Parks, im von Gersdorf durchwanderten Land, wo er nach Mineralien suchte, aber auch die Lichtgeschwindigkeit erforschte, war die erfundene und von dem großen Oberlausitzer inspirierte Figur des Grafen Epsylon von Wygasch. Im Rahmen der Workshops wurden seine Lebensgeschichte (auffallende Ähnlichkeit mit dem Leben von Gersdorfs) und sein Porträt erfunden, gemalt von einer englischen Malerin aus Szklarska Poreba (Schreiberhau), Matylda Konecka. Die Figur trug zur Verbreitung des Wissens nicht nur über die wachsende Lichtverschmutzung in der Atmosphäre bei, sondern auch über ihren Prototyp.
Genau wie der Turm befindet sich auch das herausragendste materielle Werk Gersdorfs – das spätbarock-klassizistische Schloss in Pobiedna – immer noch in schlechtem Zustand. Es wurde nach dem Krieg von einer LPG genutzt und bedarf einer kompletten Renovierung. Diese geht aber in sehr kleinen Schritten voran, denn der neue Besitzer kann die finanzielle Last einer schnellen Sanierung nicht tragen. Und doch wäre das Schloss zusammen mit dem angrenzenden Park eine weitere Perle der Oberlausitz. Sicherlich würde es Gäste nicht nur aus dem nahe gelegenen Kurort Świeradów-Zdrój, sondern auch aus weiteren Teilen Polens, Deutschlands und der Tschechischen Republik anziehen.
Doch bevor der Sitz des guten Herrn wieder in neuem Glanz erstrahlt, haben wir möglicherweise einen guten Anlass, von Gersdorfs zu gedenken, wenn seine Reisejournale aus dem Iser- und Riesengebirge, wo er 1765, 1792 und 1799 zahlreiche Wanderungen unternahm, auf Polnisch erscheinen. Vor etwa 15 Jahren wurden sie von Ullrich Junker von den Handschriften transkribiert und veröffentlicht. Marcin Wawrzyńczak, Übersetzer und Verleger (Wydawnictwo Wielka Izera), der in Chromiec (Ludwigsdorf) im Isergebirge lebt, arbeitet schon seit einigen Monaten an der Übersetzung. Eine gemeinsame deutsch-polnische Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit dem Schlesischen Museum zu Görlitz und den Görlitzer Sammlungen für Geschichte und Kultur wird geplant. Das wäre sicher nicht nur ein Beitrag zum besseren Verständnis des Menschen und Forschers von Gersdorf östlich der Neiße, sondern auch eine solide Grundlage und weitere Anregung, weitere gemeinsame deutsch-polnische Projekte zu initiieren.
Text und Fotos: Arkadiusz Lipin
Redaktion und Übersetzung: Agnieszka Bormann