Ein Straßenbahnwaggon als Gartenhäuschen und eine Perle der Architektur der Moderne am Teich
Niederschlesien ist immer noch voll von Schätzen, die (wieder)entdeckt werden wollen.
Jede kleinere oder größere Ortschaft hat einen Schatz. Er muss nur entdeckt werden. Manchmal dauert dieser Prozess recht lange. Dies war der Fall in Schmolz/ Smolec – einem Dorf in der Gemeinde Kanth/ Kąty Wrocławskie bei Breslau.
Im vergangenen Jahr feierte der geniale Architekt Max Berg – der Schöpfer der Hunderthalle in Breslau/ Wrocław – seinen 150. Geburtstag. Leider konnten aufgrund der Pandemie keine großen Feierlichkeiten organisiert werden. In diesem Jahr dagegen kommt der Name Berg immer wieder ans Licht: sein kleinstes Bauwerk – ein ehemaliges Milchhäuschen – wurde als Café Berg eröffnet und eine Straßenbahn aus dem Jahr 1901, die nach dem Architekten benannt wurde, ist auf die Straßen von Breslau/ Wroclaw zu sehen. Sie ist die älteste Straßenbahn in Breslau und gleichzeitig die einzige ihrer Art in Polen. Vor genau 120 Jahren lösten elektrische Straßenbahnen ihre pferdegezogenen Vorgänger endgültig ab. Dazu gehörte auch die vierachsige Maximum-Straßenbahn: die Max-Berg-Straßenbahn.
Und was hat das mit Schmolz/ Smolec zu tun? Dieses Kleinod wurde genau hier entdeckt! Es ist ein Wunder, dass die Straßenbahn erhalten geblieben ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in Breslau/ Wrocław fünfzig solche Straßenbahnen. Die letzten waren noch in den 1960er Jahren auf den Straßen unterwegs, danach wurden sie verschrottet. Nur eine hat überlebt. Jan Pięta, Angestellter des Straßenbahndepots in der Legnicka-Straße, der sich für die Geschichte des Verkehrswesens interessierte, kaufte 1960 den Fahrzeugaufbau und stellte ihn als Gartenhaus in seinem Garten in Schmolz/ Smolec auf. Viele Jahre später (1995) wurden zwei andere Mitarbeiter des Straßenbahndepots auf ihn aufmerksam. Die Brüder Piotr und Paweł Drab wurden eines Tages zu einem Lagerfeuer nach Schmolz/ Smolec eingeladen. Als sie den Schatz gesehen haben, wussten sie, dass sie ihn retten müssen. Mit Hilfe der Feuerwehr wurde der Fahrzeugaufbau in die Reparaturhalle des Depots in Pöpelwitz/ Popowice transportiert, wo er auf bessere Zeiten wartete. Nach vielen Jahren und den Bemühungen vieler Menschen aus Polen und Deutschland, die vor allem mit dem Verein der Freunde des Stadtverkehrs (Klub Sympatyków Transportu Miejskiego) verbunden sind, konnte die Straßenbahn fast originaltreu nachgebaut werden. Das Fahrgestell und die Wagen wurden erworben, die Beschriftung und die Innenausstattung rekonstruiert und die alte Farbgebung wiederhergestellt. Und so war es im September 2021 erstmals möglich, an einer einzigartigen Fahrt mit der Maximus-Straßenbahn teilzunehmen. Und das alles wegen einer sensationellen Entdeckung in Smolec!
Ein weiteres wenig bekanntes (oder von vielen noch unentdecktes) Kleinod von Scholz/ Smolec ist eine von Rudolf Fränkel zwischen 1931 und 1932 entworfene Villa. Sie realisierte die Idee vom „organischen Bauen“, zu dessen Vertretern Architekten wie Le Corbusier, Mies van der Rohe und Walter Gropius zählten. Der Innenraum des Hauses sollte nicht nur funktional (Zugang zu frischer Luft und Tageslicht), sondern auch mit dem Grundriss des Grundstücks und seiner Umgebung sowie mit der Aussicht und der Natur verbunden sein. Daher waren Häuser, die nach diesen Grundsätzen entworfen wurden, in der Regel luxuriös und einzigartig.
Robert Stern, ein Bewohner von Schmolz/ Smolec, beauftragte den Berliner Architekten Rudolf Fränkl, Mitglied des Bundes Deutscher Architekten und des Werkbundes und Autor mehrerer erfolgreicher Wohnsiedlungen in Berlin, mit einem solchen Hausentwurf. Stern war Besitzer eines Gartenbaubetriebs, der sich unter anderem auf den Anbau von Obstbäumen und -sträuchern, Alleebäumen und verschiedenen Kletterpflanzen spezialisiert hatte. Sein Betrieb nahm an Gartenbauausstellungen teil und gewann Medaillen und Preise. Das Haus wurde am Rande des Dorfes gebaut. Ein Weg, der zum Haus führte, trennte den Wohnungsteil von dem Geschäftsteil. Diese Aufteilung war gewollt – die Lage am Teich ermöglichte Entspannung und Kontakt mit der umgebenden Natur. Die Villa galt als eines der besten Werke von Rudolf Fränkel. Hervorgehoben seien die harmonische Integration in die Landschaft, die Einfachheit, die Funktionalität und die perfekte Anpassung an den Lebensstil der Bewohner.
Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka