40 Gräber ohne Angehörige in einem Friedhof in Oberschlesien

Im alten deutschen Friedhof in Finkenstein (Brzezie) wird  geputzt, geharkt und gebuddelt

Anlässlich des Allerheiligen-Feiertages kümmern sich Schüler um die Gräber ohne Angehörige.

Kurz vor Allerheiligen soll der alte Friedhof in Finkenstein (Brzezie) bei Groß Döbern (Dobrzeń Wielki) in Oberschlesien herausgeputzt werden. Natürlich, in neuem Glanz erstrahlen wird er nicht, ein zerfallenes Stück Land bleibt ein zerfallenes Stück Land. Es ist aber der gute Wille, der zählt.

„Dieser Platz ist sehr wichtig für uns, denn hier sind diejenigen Menschen begraben, die unsere Heimat aufgebaut haben“, erklärt Gabriela Kampa und entschuldigt sich noch im selben Atemzug für ihr Deutsch, das sie von zu Hause mitbekommen habe. Ihrer Skepsis entgegen ein sehr solides, wie jeder Muttersprachler sogleich bescheinigen könnte. Die Lehrerin für Kunst und Religion unterstützt die gemeinsame Initiative der Jugend der Deutschen Minderheit und des Groß Döbener Lizeums seit gut acht Jahren – und ist noch immer mit dem Herzen dabei.  

Sogar ein paar echte Schätze finden einige der Groß Döberner Schüler heute, darunter eine zerbrochene Emailleplatte, weiß mit Goldrand, die Wörter „Gott“ und „Großmutter“ sind zu erkennen. In den letzten Jahren sind so viele Fundstücke ans Licht gekommen, dass sogar ein Grab in Gänze wiederaufgebaut werden konnte.

Helmut Starosta ist seit 20 Jahren dabei. Der Groß Döberner Förster erklärt der Schülergruppe, was es mit dem rund drei bis vier Meter hohen Holzkreuz auf sich hat, das den Wegesrand säumt. Im Jahr 2007 ist es errichtet worden, begleitet durch eine ökumenische Andacht. „Ökumenisch deshalb, weil es heute in der Region zwar in der Mehrzahl Katholiken gibt, die Menschen aber, die hier die letzte Ruhe gefunden haben, waren Protestanten.“

Der Friedhof entstand, als im 18. Jahrhundert Preußenkönig Friedrich der Große die ersten Menschen in der zuvor nicht bewohnten Region angesiedelt hat. Seitdem hat sich eines nicht verändert, stellt Helmut Starosta fest: „Die Preußen sind hierhergekommen, weil sie einen Platz zum Leben und Wirtschaften hatten. Noch immer kommen Menschen in das kleine Groß Döbern, um hier ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das hiesige Kraftwerk ist ein großer Arbeitgeber.“ Für Helmut Starosta ist es deshalb ein Anliegen, dass auch die Zugezogenen die Geschichte ihrer neuen Heimat kennen lernen.

Gabriela Kampa hofft, dass öffentlichkeitswirksame Berichte vielleicht die Nachkommen jener, die hier bestattet worden sind, erreichen. Es werden heute noch etwa vierzig Gräber auf dem seit Ende des Zweiten Weltkrieges zerfallenden Friedhofs vermutet.

Text & Fotos: Marie Baumgarten