Buchempfehlung: “Fremd im eigenen Land” von Adriana Dawid

Über das Leben Deutschgesinnter im Oppelner Land der 1950er Jahre

Das Buch wurde im Rahmen der 19. Deutschen Kulturtage im Oppelner Schlesien vorgestellt.

Das Oppelner Land in den 1950er Jahren: Eine Zeit, geprägt von einem gewissen Paradoxon, denn zweifelsohne sind die Deutschen als vermeintlicher Feind der kommunistischen Regierung steten Repressionen ausgesetzt, zeitgleich aber behaupten die Machthaber, dass im Grunde der Deutsche mit der Westverschiebung Polens nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verschwunden sei. Bei alledem zeigen die Menschen im Alltag mitunter eine humorige Gelassenheit. So wird beispielsweise im Buch von einem Restaurantbesitzer in Leschnitz berichtet. Er gibt offen zu, dass er wisse, er sei Gegenstand von Denunziationen des Sicherheitsamtes, weil er seinen Kunden erlaube Deutsch zu sprechen. Aber er habe keine Angst davor, weil das aufgrund der Freundschaft zwischen Polen und Deutschland erlaubt sei. So jedenfalls werde es überall gesagt. Es sei denn, man mache es grundsätzlich anders, sagt der Mann. Er jedenfalls lasse seine Kunden in seinem Laden machen, was sie wollen, und niemand kümmere sich darum.

Am 19. Oktober 2022 hat Adriana Dawid ihr Buch im Rahmen der 19. Deutschen Kulturtage im Oppelner Schlesien im noch jungen Dokumentationszentrum der Deutschen in Polen (SILESIA News informierte) vorgestellt. Nach ihrem Lieblingskapitel gefragt, schmunzelt die Autorin. „Ich schätze besonders die Fragmente, die etwas Neues ans Licht bringen“, räumt Dawid ein. Möglich gemacht haben das die zahlreichen Archivdokumente aus dem Institut für Nationales Gedenken (IPN – Instytut Pamięci Narodowej). Unter anderem konnte Dawid durch sie erfassen, was die Menschen zu jener Zeit tatsächlich bewegte und worüber auf den Straßen gesprochen wurde. „Als ich mich mit den Berichten vertraut gemacht habe, hatte ich regelrecht im Ohr, worüber sich die Menschen unterhielten“, sagt Dawid. „Zum Beispiel darüber, dass die Lebensmittelpreise steigen werden, dass die Grenze geschlossen werde und niemand mehr durchgelassen werde, dass niemand mehr aus Polen rauskomme. Dass Bürger inhaftiert werden sollen.“

Adriana Dawid ist Historikerin und Professorin an der Univesität Oppeln.

Unter den interessierten Zuhörern meldet sich eine alte Dame zu Wort, die aus eigenen Erlebnissen das kennt, woran das Buch sich thematisch annähern will. „Die jungen Menschen müssen das lesen!“, sagt sie. Das findet auch Adriana Dawid, doch sie sieht die Hürden dabei: Eine auf 500 Exemplare begrenzte Auflage, dazu nur gedruckt verfügbar. Ihr Wunsch: eine digitalisierte Ausgabe, grenzenlos abrufbar.

Adriana Dawid stellt ihr Buch in Oppeln vor.

Fremd im eigenen Land, das polnische Original „Niepolskie Opolskie“ erschien bereits vor zwei Jahren. Mit der in kürzester Zeit entstandenen Übersetzung durch Jens Boysen sei sie überaus zufrieden, sagt Dawid. „Dem polnischen Titel ist diese gewisse Unübersetzbarkeit inne, weil er mit der polnischen Sprache spielt. Die deutsche Entsprechung wurde lang besprochen, ich finde sie gelungen.“

Die deutsche Übersetzung ist jetzt kostenfrei beim Forschungszentrum der Deutschen Minderheit in Oppeln erhältlich.

Mit den Deutschen Kulturtagen wird der ganze Monat Oktober der deutschen Kultur gewidmet mit zahlreichen Veranstaltungen in der gesamten Woiwodschaft Oppeln (Programm).

Text & Fotos: Marie Baumgarten

Adriana Dawid: Fremd im eigenen Land. Prodeutsche Einstellungen von Bewohnern der Wojewodschaft Oppeln und die Reaktionen der Machtorgane (1950 – 1956).
Herausgeber: Forschungszentrum der Deutschen Minderheit, ul. Szpitalna 7, 45-010 Opole, www.fzentrum.pl, ISBN: 978-83-959984-61

Bildunterschrift Humor in der DDR: Das kommunistische Regime will die Wichtigkeit von Kollektiv und kollektivierter Wirtschaft in die Köpfe des polnischen Volkes pflanzen. Die vermeintlich dem Deutschtum nahestehenden Bürger sowie jene Deutschen, die es ja eigentlich nicht gibt, will man durch Bezüge zur DDR gewinnen, wie durch Zeichnungen wie diese: „Und was machen wir mit den Grenzsteinen? – Die werden uns als Fundament für unser neues Gemeinschaftshaus dienen.“