Deutsche und Polen erinnern gemeinsam an den Grünberger Dichter Paul Petras

Veranstaltung in Zielona Góra präsentiert auch die heutigen Autoren der Region

Bald erscheint neue Ausgabe der ausgewählten Werke von Paul Petras in Deutsch und Polnisch.

Der Grünberger Heimatdichter Paul Petras (1860-1941), der im einstigen Dorf Kühnau (heute ein Ortsteil von Zielona Góra, Chynów) wunschgemäß seine letzte Ruhe fand, stand erstmalig im Mittelpunkt eines besonderen deutsch-polnischen Literaturnachmittags, der im Museum des Lebuser Landes von Zielona Góra (Muzeum Ziemi Lubuskiej) am 9. Oktober 2022 stattfand und zugleich eine Verbindung zur aktuellen Literatur der Region schuf. Dazu trugen sowohl die Referentin und Poetin Izabela Taraszczuk sowie als Gäste die Schriftsteller Roland Hellmann und Krzysztof Fedorowicz bei, die aus ihren Werken vorlasen.

Literarischer Nachmittag (v.l.n.r.): Wolfgang Scheuren, Izabela Taraszczuk, Roland Hellmann, Krzysztof Fedorowicz, Foto: Cristina Scheuren Steinkrauss.

Auf Initiative des Enkels von Paul Petras, Wolfgang Scheuren aus München, wurden im Glasfenstersaal die Biografie und die Dichtkunst des in Grünberg geborenen Schriftstellers Petras erstmals vor Ort in Deutsch und Polnisch präsentiert. Scheuren berichtete über die Lebensstationen seines Großvaters, der in Breslau promoviert wurde und eine langjährige Laufbahn als Journalist und Zeitungsverleger erlebte. Petras blieb aber zeitlebens eng mit seiner Heimatstadt verbunden. Er schrieb viele Gedichte u. a. über den Grünberger Wein und veröffentlichte neben seinen regelmäßigen Beiträgen für den Grünberger Haus- und Heimatkalender zwei Bücher – „Auf Grünbergs Rebenhügeln“ und „Aus der Heimat“, die im damaligen Verlag von W. Levysohn erschienen sind. Diesen literarischen Schatz will sein Enkel im nächsten Jahr in einer Auswahl neu herausgeben und präsentierte den Teilnehmern der Veranstaltung bereits einen Vorabdruck dieses besonderen Buches, das in Deutsch, in schlesischer Mundart und in Polnisch gedruckt werden soll.

Als Co-Referentin des Nachmittags widmete sich die aus Zielona Góra stammende Philologin, Poetin und Dozentin Dr. Izabela Taraszczuk in ihrem Vortrag zur Poesie von Paul Petras den bereits erfolgten polnischen Veröffentlichungen über den deutschsprachigen Dichter. Die Philologin selbst hat erst vor kurzem in der Filologia Polska 7/2021 eine erste umfassende wissenschaftliche Würdigung und Bibliographie über den Grünberger Heimatdichter publiziert. Für sie bildet die Poesie von Paul Petras „ein lexikalisches, kulturelles und historisches Vademecum für diejenigen, die die alte niederschlesische Weinmetropole in ihrer Pracht vor über einem Jahrhundert in geschriebener Form erleben möchten“. Es ist für sie ein wichtiger historischer Schritt, dass dazu künftig die Petras-Literatur auch in polnischer Sprache vermittelt werden soll.

Dieser keineswegs einfache Weg der literarischen Übertragung von Deutsch und deutscher Mundart ins Polnische stand deshalb auch im Mittelpunkt der regen Diskussion, die den beiden Vorträgen und den Lesungen der Poeten Hellmann und Fedorowicz und der Poetin Taraszczuk folgte.

Der zum wichtigsten polnischen Nike-Literaturpreis nominierte Winzer und Schriftsteller, Krzysztof Fedorowicz, betonte die Wichtigkeit einer Brücke, die durch die Renaissance der Paul-Petras-Poesie zwischen Vergangenheit und Gegenwart der 800-jährigen Weinstadt Zielona Góra geschlagen wird. Er, der Sekretär der Stiftung „Fundacja Tłocznia“ (dt.“Weinpresse“), stellte Fragen nach der historischen Kontinuität des deutschsprachigen Erbes in der Region Lubuskie. Fedorowicz und seine Stiftungsmitglieder haben vor, eine didaktische Reihe von Seminaren zur Regionalgeschichte bzw. zum Sachunterricht in Schulen von Zielona Góra und Chynów durchzuführen.

Die im Publikum anwesende Poetin aus Zielona Góra, Halina Bohuta-Stąpel, brachte in polnischer und deutscher Sprache ihre Begeisterung von der geplanten Paul-Petras-Edition zum Ausdruck. Sie hat Gedichte des in Grünberg geborenen Schriftstellers und Kabarettisten Otto Julius Bierbaum ins Polnische übertragen und popularisiert in Polen Werke anderer deutschsprachiger Autoren wie Karl von Holtei. 2016 wurde der Film 33 minuty w Zielonej Górze czyli w połowie drogi (33 Minuten in Grünberg oder der halbe Weg) gedreht, zu dem Bohuta-Stąpel Drehbuch in Anlehnung an das bekannte Stück des Breslauer Theaterschriftstellers verfasst hat. Holtei, ein großes literarisches Vorbild des niederschlesischen Schriftstellers Petras, scheint die historische Kontinuität zwischen Grünberg mit Zielona Góra zu untermauern.

Prof. Małgorzata Mikołajczak vom Institut für Polonistik der Universität Zielona Góra, begrüßte enthusiastisch die geplante zweisprachige Ausgabe der Paul-Petras-Werke.

Der in Waldenburg/Wałbrzych geborene und zurzeit in Zatonie bei Zielona Góra lebende Dichter Roland Hellmann betrachtete kritisch die in deutschen und polnischen Schulen sinkende Lesewelle und plädierte für die Slow Movement Culture, die sich im reduzierten Handygebrauch der Jugendlichen verwirklicht werden kann.

Die Germanistin und Poetin Izabela Taraszczuk betonte die bewusste Wahrnehmung der deutschsprachigen Vergangenheit in der Grenzregion Brandenburg-Lebuser Land, indem sie auf die 2016 erschienene Publikation der Prof. Marta J. Bąkiewicz An der mittleren Oder (Schöningh Verlag) hingewiesen hat.

Zum Abschluss der Veranstaltung überreichte Halina Bohuta-Stapel dem Enkel des Grünberger Dichters Paul Petras, Wolfgang Scheuren, eine Schale mit Original Weinreben aus Zielona Góra. Dazu ein Trauben-Erzeugnis sowie einen Vorabdruck des geplanten Buches „Zielona Góra w poezji i prozie – Almanach literacko-fotograficzny – pod redakcją Roberta Rudiaka i Haliny Bohuty-Stapel“ („Zielona Góra in Poesie und Prosa – ein literarisch-fotografischer Almanach von Robert Rudiak und Halina Bohuta-Stąpel“), herausgegeben vom Związek Literatów Polskich – Oddział w Zielonej Górze (Verein der Polnischen Literaten – Abteilung in Zielona Góra). In dieser Publikation ist auch ein Gedicht von Paul Petras enthalten, übersetzt von Bohuta-Stapel: „Chce żyć tylko w Zielonej Górze“ („Nur in Grünberg will ich leben“).

Kleine Gedenkfeier am Ehrenmal des Dichters Paul Petras
Vor der Veranstaltung, am Vormittag des 9. Oktober 2022, trafen sich Familienangehörige und heutige Freunde des Schriftstellers zu einer kleinen Gedenkfeier am Ehrendenkmal für Paul Petras, das seit 1993 auf dem Friedhof in Chynów (Kühnau, jetzt Ortsteil von Zielona Góra) an prominenter Stelle steht und in beiden Sprachen, Deutsch und Polnische, den Grünberger Dichter würdigt.

Am Ehrenmal des Grünberger Dichters Paul Petras (v.l.n.r.): Izabela Taraszczuk, Cristina Scheuren Steinkrauss, Leszek Szewczuk, Ilona Biernat und Wolfgang Scheuren (Enkel von Paul Petras). Foto: Hartmut Knobloch

Text- und Bildmaterial: Wolfgang Scheuren und Izabela Taraszczuk