Auf Echt Stonsdorfer folgt Likier Staniszowski

Der berühmte Likör aus dem Riesengebirge beginnt seine neue Kariere 

In Staniszów (Stonsdorf) wird die Tradition am alten Ort mit neuem Leben gefüllt.

Das Riesengebirge war und ist für seine Kräuter bekannt. Das wussten schon vor Jahrhunderten die tschechischen Glaubensflüchtlinge, die wegen der religiösen Verfolgung ins Hirschberger Tal kamen und begannen, die Kräuter zu sammeln und sie für den medizinischen Gebrauch zu verwenden. Nicht zufällig wurden sie deshalb „Laboranten“ genannt. Es wird vermutet, dass ein Brauereigeselle – Christian Gottlieb Koerner aus Stonsdorf (heute Staniszów) – an ein altes Rezept der Laboranten gelang und es zu nutzen wusste. Im Jahre 1810 mietete er die Brauerei von dem Fürsten von Reuss in Stonsdorf und begann neben dem Bier einen Likör herzustellen, der auf heimischen Beeren und Kräutern basierte: den sogenannten „Echt Stonsdorfer“.

Die alte Brauerei in Stonsdorf. Ansichtskarte aus der Sammlung der Autorin.

Der Sohn von Koerner, Wilhelm, brachte das Geschäft zum Blühen auf und gründete in Cunnersdorf (heute ein Teil von Jelenia Góra / Hirschberg) eine Fabrik (sie befand sich in der heutigen Wolności-Str. 150). Der Likör „Echt Stonsdorfer Kräuter-Bitter” ist zu einer bekannten regionalen Marke geworden. Es wurde bis 1945 in Hirschberg produziert, danach haben die letzten deutschen Besitzer das Rezept nach Hamburg mitgenommen.

In den 1950er Jahren wurde die Produktion fortgesetzt – die Basis bildeten diesmal die Alpenkräuter. Heute wird der Likör bei Berentzen in Haselünne (Emsland) hergestellt. Weil das Schloss in Stonsdorf viele Jahre leer stand, geriet auch die Geschichte der Brauerei (das Gebäude der Brauerei steht bis heute nicht bewirtschaftet) und des berühmten Getränks in Vergessenheit.

Im Jahre 2001 kaufte Wacław Dzida das ruinierte spätbarocke Schloss der Familie von Reuss. Die Familie Dzida machte alles, um das Schloss neu zu beleben. Ein kleines Hotel wurde hier eröffnet, der englische Park wurde restauriert. Mit der Zeit kam die Renovierung des Kavalierhauses, ein neues SPA-Bereich wurde angebaut, eine kleine Galerie eröffnet.

Die Gästezimmer befinden sich auch in dem ehemaligen Kavalierhaus.

Es fehlte aber immer etwas, was eine besondere Attraktion des Ortes und ein Erkennungszeichen des Schlosses machen könnte. Deshalb hat sich der Schlossherr entschieden, einen eigenen Likör zu entwerfen. Einige Jahre arbeitete er am eigenen Rezept für den Stonsdorfer Likör und heute kann er Gästen und Touristen die Ergebnisse seiner Arbeit präsentieren und mit dem neuen Stonsdorfer auf den alten „Echt Stonsdorfer“ anstoßen.

Im ehemaligen Wirtschaftsgebäude, umgebaut im Stil eines Tirolerhauses, wurden oben zwei Appartements für die Gäste und unten eine kleine Manufaktur untergebracht: hier wird eine Kostprobe des Likörs angeboten. Zuerst lernen die Gäste die Geschichte des Ortes und des Echt Stonsdorfer kennen, danach wird der neue Stonsdorfer Likör („Likier Staniszowski“) probiert. So verbinden sich Kulinarik, Genuss und Geschichte.

Das umgebaute Wirtschaftsgebäude erinnert an ein Tirolerhaus – es ist kein Zufall. Infolge des Dreißigjährigen Krieges kamen ins Hirschberger Tal die evangelischen Glaubensflüchtlinge aus Tirol und bauten hier charakteristische Häuser, die sie an ihre Heimat erinnern sollten. Das Tirolerhaus beherbergt zwei Familien-Appartements und unten eine kleine Manufaktur.

Der Likör hat eine tiefrote Farbe, ist kräftig-würzig (man kann deutlich Sternanis fühlen), leicht herb und intensiv fruchtig: Heidelbeeren und andere Waldfrüchte tragen wesentlich zu seinem Geschmack bei. Er hat einen 32-prozentigen Alkoholanteil. In der kleinen Manufaktur „Wacław Dzida & Söhne“ werden ca. 2.000 Flaschen jährlich hergestellt. Sie sind zur Zeit nur im Schloss Stonsdorf zu probieren und zu erwerben (eine 0,35 Liter-Flasche kostet 20 Euro), aber in Zukunft soll der handgemachte Produkt auch in den lokalen Geschäften und Restaurants zu bekommen sein.

Das Schloss Stonsdorf in der Sommerzeit.

Text und Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka