Ausstellung in der Kunstgalerie in Legnica (Liegnitz) präsentiert Ergebnisse des Künstlerresidenzprogramms W/E LAB
Sieben junge Kunstschaffende aus Sachsen und Niederschlesien beschäftigten sich mit der Erinnerungskultur.
In der Kunstgalerie RING in Legnica (Liegnitz) sind ab 1. September 2023 Werke zu sehen, die im Juni und Juli 2023 während der Künstlerresidenz W/E LAB (West-East Laboratory) im niederschlesischen Tarczyn bei Wleń (Lähn) entstanden sind. Sieben in einem Open-Call-Verfahren ausgesuchte Künstlerinnen und Künstler polnischer, deutscher, ukrainischer und französischer Herkunft aus Sachsen und Niederschlesien – (in alph. Reihenfolge) Lisa Maria Baier, Theo Guicheron-Lopez, Oscar Lebeck, Patrycja Plich, Bartłomiej Puch, Viktoriia Tofan und Anastasiia Zazuliak – haben sich einen Monat lang mit der lokalen Geschichte und Gegenwart, beschäftigt und diese künstlerisch in ihren Arbeiten interpretiert. Davon erzählen sie in einer Reihe von kurzen Filmporträts.
Viktoriia Tofan befasste sich mit dem Gebiet von Tarczyn und stellte die Frage nach dessen Anfang und Ende, wobei sie die Konstruktion der nationalen Identität durch Grenzziehung hinterfragte. Lisa Maria Baier erinnerte an die Opfer des Nationalismus im Kontext veränderter Grenzlinien und Vertreibung. Ausgehend von der tragischen Geschichte ihrer Großmutter schuf sie eine Skulptur, die buchstäblich in der Erde von Tarczyn gemacht wurde. Der von Patrycja Plich übersetzte Gedichtband von Theo Guicheron-Lopez ist eine Suche nach Bedeutungen und Verbindungen rund um den Begriff Land, der als Grund und Boden verstanden wird, aber auch im weiteren Sinne: das Land unter den Füßen und die Erde. Anastasiia Zazuliak hingegen porträtiert in ihrer lyrischen Reportage das zeitgenössische Tarczyn und konzentriert sich dabei auf die Verflechtung der täglichen Aktivitäten der Menschen mit der hier sehr stark präsenten Natur. In dem idyllischen Bild der Landschaft, das die Fotografin eingefangen hat, ist jedoch auch eine gewisse Beklemmung im Zusammenhang mit der komplizierten Geschichte dieser Gegend spürbar. Der Anthropologe und bildender Künstler Bartłomiej Puch beschäftigte sich ebenfalls mit der Landschaft der Region und schuf zeitgenössische Versionen von Postkarten aus dem 19/20. Jahrhundert. Er interessierte sich auch für die verwilderten Kirschbäume und die Tatsache, dass die alten Gärten der ursprünglichen Bewohner des Ortes die aktuellen Bewohner ernähren und dass aus den Samen, die auf den Boden fallen, neue Bäume entstehen können. Oscar Lebeck schließlich zeigt in seiner Videoinstallation die überwucherten Fundamente eines nahegelegenen Konzentrationslagers. Er erinnert daran, hebt die nicht vorhandenen Wände hervor und macht die Umrisse der Räume und den nackten Boden sichtbar.
Die Künstlerinnen und Künstler führen ihre Forschungen auf unterschiedliche Art und Weise durch und verwenden unterschiedliche Techniken und Medien, aber sie alle verbindet eine ausgeprägte Sensibilität – und natürlich ihr thematischer Fokus. Sie sind auch durch Tarczyn verbunden, das für eine kurze Zeit ihre Heimat wurde – sagt Jagna Domżalska, Kuratorin der Ausstellung. Das Wort “ziemia”, das in der polnischen Sprache mehrere Bedeutungen hat (Erde, Grund, Boden, Land, Terrain), erwies sich auch als gemeinsamer Nenner der geschaffenen Werke. Ob gestern oder heute – es ist immer noch die gleiche Erde, der gleiche Boden, ein stiller Zeuge der Ereignisse. Der Mensch hinterlässt Spuren, und die Erde erinnert sich an alles. Das Land erinnert sich – fährt Domżalska fort.
Das Projekt W/E LAB verfolgt das Ziel, junge Kunstschaffende (bis 35 J.) aus Sachsen und Niederschlesien, die sich für Themen der Erinnerungskultur im deutsch-polnischen Kontext interessieren, zu fördern und miteinander in Dialog zu bringen. Als Nachbarregionen sind Niederschlesien und Sachsen (hier vor allem die Oberlausitz) seit Jahrhunderten miteinander in Berührung und Beziehung. Die meiste Zeit davon gehörte auch Niederschlesien zum deutschgeprägten Sprach- und Kulturraum. Erst die geschichtlichen Verwerfungen und Umbrüche des 20. Jahrhunderts schufen hier mit der Grenzverschiebung und dem Bevölkerungsaustausch eine neue Nahtstelle, die auch künstlerisches Potenzial entfachten kann. Die Geschichte der Region Niederschlesien sowie die daraus resultierenden kulturellen, nationalen und sozialen Verflechtungen, die sich hier ständig überlagern, bilden so den Ausgangspunkt für die künstlerischen und auch wissenschaftlichen W/E LAB-Aktivitäten junger Menschen.
W/E LAB wird organisiert von der Stiftung FLOWLAND aus Tarczyn in Zusammenarbeit mit der Stiftung OP ENHEIM aus Wrocław, dem Zentrum für Kunst und Kultur OKiS aus Wrocław, der Kunstgalerie Legnica sowie dem Kulturreferat für Schlesien am Schlesischen Museum zu Görlitz (hier im Rahmen des Programms SATELLITEN – Begegnungen mit zeitgenössischer Kunst in Schlesien). Das Projekt wird 2023 gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit und das Marschallamt der Wojewodschaft Niederschlesien.
Die Ausstellung in Legnica ist die erste Präsentation der Ergebnisse der Künstlerresidenz W/E LAB 2023. Weitere Veranstaltungen werden bis zum Jahresende in Tarczyn, Görlitz und Wrocław stattfinden.
Ausstellung in der Kunstgalerie in Legnica (Liegnitz)
zum Künstlerresidenzprogramm W/E LAB
Kuratorin: Jagna Domżalska
Ort: Galeria Ring, Rynek 12, Legnica
Eröffnung am: 1.09.2023, 18:00
Ausstellungsdauer: 1.09-8.10.2023
Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag, 12:00-18:00
Eintritt frei
Text: Jagna Domżalska, Agnieszka Bormann