Rückblick auf „Oma kommt aus Schlesien“ 2023

Familiengeschichten und transgenerationelle Traumata bilden den thematischen Kern des Seminars

Das Projekt wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Die Erfahrung von Krieg und Heimatverlust erzeugt einen schweren Bruch im Lebenslauf eines Menschen. Dieser Bruch wirkt sich nicht nur auf die unmittelbar davon Betroffenen, sondern auch auf die nachfolgenden Generationen aus. Manchmal werden die Folgen dieses Traumas erst spät bewusst. Mit der Aufarbeitung solcher intergenerationellen Traumata und der eigenen Familiengeschichte beschäftigt sich das Seminar „Oma kommt aus Schlesien“, das dieses Jahr bereits zum 6. Mal im Haus Schlesien in Königswinter stattfand.

Zum Programm gehört auch eine Führung durch die Dauerausstellung „Schlesische Erinnerungsorte“.

Das Seminar entstand in Zusammenarbeit mit dem Kulturreferat für Oberschlesien und wird gefördert von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Zum festen Programm gehört stets ein Einführungsvortrag von Prof. Dr. Winfried Halder, dem Direktor der Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus Düsseldorf, der anhand seiner eigenen Familiengeschichte aufzeigt, welches Schicksal viele schlesische Familien nach dem Zweiten Weltkrieg ereilte und dabei auch grundlegende Informationen zur Geschichte der Region Schlesien gibt. Anschließend ging Prof. Dr. med. Bertram von der Stein, Psychotherapeut aus Köln, auf die psychologischen Folgen von Vertreibungstraumata ein. Darauf aufbauend fanden jeweils anschließend Gesprächsrunden statt, bei denen die Teilnehmer im geschützten Rahmen über eigene Erfahrungen diskutieren konnten. Dabei wurden vielfach Gemeinsamkeiten erkannt oder Verknüpfungen hergestellt, die vorher verdeckt waren. Besonders die Atmosphäre dieser kleinen Diskussionsgruppen wird von den Teilnehmern geschätzt, da sie die Gelegenheit bieten, sich zu öffnen und über alles zu sprechen.

Jürgen Hempel und Joanna Mielewczyk im Gespräch.

Im Themenblock „Spurensuche“ stellte die Breslauer Journalistin Joanna Mielewczyk zunächst ihr Projekt „Breslauer Häuser / Kamienice“ vor. Ihr Buch „Breslauer Häuser“ enthält Geschichten aus der Vorkriegszeit ehemaliger deutscher Einwohner der schlesischen Metropole, die sie verlassen mussten. In „Kamienice“ hat sie auf der anderen Seite polnische Breslauer interviewt, inwiefern ihnen bewusst ist, welche Vorkriegsgeschichte die historischen Häuser haben, in denen sie leben. Das Projekt verdeutlichte, dass die Erfahrungsverarbeitung von Heimatverlust und ein Neuanfang unter schwierigsten Bedingungen auf beiden Seiten eine Herausforderung für mehrere Generationen ist und bis in die Gegenwart weiterwirkt.

Einen Höhepunkt der diesjährigen Tagung bildete die Vorführung mit Zeitzeugengespräch zu Mielewczyks Filmreportage „Das Schicksal / Los“. Der Dokumentarfilm zeigt ein Generationengespräch zwischen Jürgen Hempel, Zeitzeuge der Festung Breslau, und ihrem 12jährigen Sohn. Hempel erzählt dem Jungen über seine Jugend in Breslau, wie er den Krieg, die Abriegelung und Zerstörung der Stadt erlebte. Beide laufen durch die heutige Stadt, zu den Orten, die Hempel beschreibt. Parallel erzählt der ehemalige polnische Zwangsarbeiter Jerzy Podlak dem 12-jährigen von seinem Schicksal zum Kriegsende. In der anschließenden Fragerunde kamen die Seminarteilnehmer mit dem Zeitzeugen und der Regisseurin in einen intensiven Austausch.

Zum Abschluss ging es beim Rundgang durch die Dauerausstellung von HAUS SCHLESIEN vor allem um die Integration der Vertriebenen in der Nachkriegszeit und die Erinnerungen an die verlorene Heimat. In den letzten Diskussionsrunden berichteten viele von ihren persönlichen familiären Erfahrungen und erhielten Anregungen, sich mit der Familiengeschichte auseinanderzusetzen.

Während der zwei Tage wurden Bekanntschaften geknüpft, viele wollen ein weiteres Mal teilnehmen und im November fand auch ein von den Teilnehmern selbst organisiertes Nachtreffen im HAUS SCHLESIEN statt. Am 12. und 13. Oktober 2024 soll das Seminar aufgrund der großen Nachfrage erneut stattfinden.  

Text: Florian Paprotny, Haus Schlesien

Ausstellungen im Haus Schlesien

Dauerausstellung „Schlesische Erinnerungsorte“
Schlesien entdecken

Jubiläumsausstellung „FIFTY – FIFTY. 50 Jahre Verein HAUS SCHLESIEN in 50 Objekten“
bis 25. Februar

„Von der Erinnerung geprägt“: Historische Landkarten und Veduten aus der Sammlung Manfred Spata
ab 3. März

Sonderausstellung “Eine schlesische Malerin aus Kattowitz in Breslau und Wiesbaden. Hommage an Gerda Stryi”
im Eichendorffsaal, bis 1. September 2024

Öffnungszeiten Museum

Mi bis Fr 10 – 17 Uhr
Sa, So, Feiertage 11 – 18 Uhr
und nach Vereinbarung
Eintritt frei

Kontakt und Information

HAUS SCHLESIEN – Dokumentations- und Informationszentrum
Dollendorfer Straße 412, 53639 Königswinter
Telefon 02244 – 886 0 | kultur@hausschlesien.de | www.hausschlesien.de

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