Vor 65 Jahren entstand in Oberschlesien die Stadt Ruda (Ruda Śląska)
Mit dem Zusammenschluss von Ruda und Friedenshütte (Nowy Bytom) entstand eines der untypischsten urbanen Zentren der Region auf.
Ruda ist nicht die einzige Stadt im östlichen Oberschlesien, die durch einen Zusammenschluss von mehreren Industrieorten gebildet wurde. Doch als einzige entwickelte sie bis heute kein klares Stadtzentrum. Vielmehr haben wir es hier mit einer polyzentrischen Stadt zu tun, in der fast jeder Stadtteil nicht nur seinen eigenen Mittelpunkt hat, sondern auch seine eigene lokale Identität.
Die Uneinheitlichkeit der Stadt äußert sich in mehreren Bereichen. Der wichtigste Bahnhof befindet sich in Ruda, die Stadtverwaltung hat in Friedenshütte ihren Sitz und das größte Einkaufszentrum befindet sich in Antonienhütte (Wirek). Geteilt ist die Stadt auch hinsichtlich der Fußballsympathien. Etwas vereinfachend könnte man sagen, dass die Herzen der Fans in der westlichen Stadthälfte für Górnik Zabrze und in der östlichen für den Königshütter Ruch Chorzów schlagen. All das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass sowohl Ruda als auch Friedenshütte zum Zeitpunkt ihres Zusammenschlusses im Jahr 1959 junge und weitgehend uneinheitliche Städte waren.
Ruda umfasste die früheren selbständigen Orte Orzegow (Orzegów) und Godullahütte (Godula). Teile von Friedenshütte waren wiederum Morgenroth (Chebzie), Bielschowitz (Bielszowice), Friedrichsdorf (Bykowina), Halemba (Halemba), Klodnitz (Kłodnica), Kochlowitz (Kochłowice), Althammer (Stara Kuźnica) und Antonienhütte (Wirek). Fast alle diese Orte wurden zwar bereits im Mittelalter gegründet, doch erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts änderte sich im Zusammenhang mit der rasanten Entwicklung des Bergbaus und Hüttenwesens sowie dem Bau mehrerer Bahnlinien ihr dörflicher Charakter. In einigen Stadtteilen sind Relikte dieser ländlichen Vergangenheit wohlgemerkt immer noch deutlich zu sehen.
Heute ist Ruda stolz auf seine industrielle Geschichte, wobei die meisten Berg- und Hüttenwerke mittlerweile neuen Bauten gewichen sind. Unter den erhaltenen historischen Bauwerken und Gebäudeensembles sind in erster Linie die zum Teil sanierten Arbeitersiedlungen zu nennen: Ficinus in Antonienhütte, Carl-Emmanuel in Ruda und Kaufhaus in Friedenshütte. Wichtig nicht nur für die Stadt wird zudem die bevorstehende Sanierung des in den 1860er Jahren in Betrieb genommenen und bis 2005 aktiven Hochofens des stillgelegten Werkes „Friedenshütte“ (Pokój) sein, da seine Silhouette aus der Landschaft des Oberschlesischen Industriegebietes nicht wegzudenken ist. Nach dem Abschluss der Arbeiten wird die Anlage als museale Einrichtung für Touristen zugänglich sein.
Erwähnenswert ist, dass bei der Volksabstimmung von 1921 außer Antonienhütte in allen anderen Orten, die heute die Stadt Ruda bilden, mehrheitlich für die Zugehörigkeit zu Polen votiert wurde und dass sie alle 1922 an Polen angeschlossen wurden. Heute gilt die Stadt wiederum als eine der Hochburgen der oberschlesischen Identität. Während der Volkszählung von 2021 bezeichneten 30 Prozent der Einwohner ihre Volkszugehörigkeit als (ober)schlesisch. Mehr zu diesem Thema finden Sie hier.
Text: Dawid Smolorz