Eine Transitstrecke im Raum Ziegenhals (Głuchołazy)
Die im Jahr 1888 in Betrieb genommene Trasse wurde Zeuge historischer Veränderungen in der Region und wird bis heute benutzt.
Die im Jahr 1888 in Betrieb genommene Trasse verband die damals in Österreich-Ungarn gelegenen Städte Jägerndorf (Krnov) und Freiwaldau (Jeseník) über das deutsche Ziegenhals. Gründe für eine solche Trassenführung waren finanzieller Natur. Hätte man die Bahnlinie komplett auf österreichischem Territorium bauen wollen, wären die Gesamtkosten der Investition deutlich höher gewesen, da in der gebirgigen Gegend mehrere Brücken und Tunnels hätten errichtet werden müssen. Der Transit durch das deutsche Staatsgebiet erwies sich daher als günstigere Variante.
Die ca. 15 km lange Transitstrecke nutzten zunächst österreichische und seit dem Zerfall der Donaumonarchie 1918 tschechoslowakische Züge. In ihrer über 130-jährigen Geschichte lag die Bahnlinie Jägerndorf – Freiwaldau nur sieben Jahre innerhalb der Grenzen eines Staates, und zwar vom Anschluss des Sudetenlandes an das „Dritte Reich“ im Oktober 1938 bis zur Besetzung Südschlesiens durch die Rote Armee im Mai 1945. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der bisher deutsche Teil Oberschlesiens unter polnische Verwaltung gestellt. Somit lag nun auch Ziegenhals in dem von Warschau aus regierten Land.
In den ersten drei Nachkriegsjahren verkehrten die Transitzüge nicht, da im polnisch-tschechoslowakischen Grenzraum beinahe eine Kriegsatmosphäre herrschte. Nicht nur erhob damals Prag Anspruch auf Teile des bisherigen deutschen Staatsgebiets, darunter auf die Gegend um Ziegenhals, sondern war auch Polen bestrebt, das westliche Teschener Schlesien wiederzugewinnen. Nachdem sich die Situation entspannt hatte, unterzeichneten beiden Länder Ende 1948 ein Abkommen über den privilegierten Durchgangsverkehr. Seitdem nutzt die Tschechoslowakische Staatsbahn ČSD bzw. seit 1993 die Tschechische Bahn ČD wieder die Strecke über Ziegenhals. Wie überall im Ostblock galten auch hier beim Transit strengste Sicherheitsmaßnahmen. Deshalb wurden die tschechoslowakischen Züge auf der Durchfahrt durch Polen bis in die 1980er Jahre von bewaffneten polnischen Grenzsoldaten begleitet, obwohl beide Staaten ja bis zur Wende offiziell als sozialistische Bruderländer galten.
Zwar machten die tschechischen Züge aus technischen Gründen schon immer einen Halt in Ziegenhals, doch war ein Zustieg für polnische Reisende nicht möglich. Erst kurz vor dem Beitritt der mitteleuropäischen EU-Mitgliedsstaaten in den Schengener Raum änderte sich diese Situation. Derzeit wird erwogen, an dem an der Transitstrecke gelegenen Bahnhof Ziegenhals-Stadt (Głuchołazy-Miasto) und in Wildgrund (Pokrzywna) zusätzliche Bahnsteige zu errichten, um polnischen Reisenden auch außerhalb des zwei Kilometer vom Stadtzentrum gelegenen Bahnhofs Ziegenhals den Einstieg in die tschechischen Züge zu ermöglichen.
Für wertvolle Informationen bedankt sich der Autor bei Marian Ptak aus Ziegenhals (Verein „Creatio Głuchołazy“).
Text: Dawid Smolorz