Zum 55. Todestag von Marek Hłasko
Deutsch-Polnischer Verein Wiesbaden-Wrocław e.V. bemüht sich um die lebendige Erinnerung an den großen Rebellen der neueren polnischen Literaturgeschichte.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Juni 1969 starb in Wiesbaden Marek Hłasko, polnischer Schriftsteller, Drehbuchautor und ehemaliger Ehemann der deutschen Schauspielerin Sonja Ziemann (das Paar lernte sich 1957 in Wrocław kennen, wo Ziemann die Hauptrolle in „Der „8. Wochentag“ unter der Regie von Aleksander Ford spielte – der Film entstand nach dem Drehbuch von Marek Hłasko). Er wurde am 20. Juni 1969 auf dem Wiesbadener Südfriedhof begraben. Auf das Grab setzte Sonja ein einfaches Kreuz mit der Inschrift: „Marek Hłasko. Polnischer Schriftsteller“, seinen Lebensdaten und vier Worten: „Rein, gut, ohne Zorn“. Sie bezogen sich auf ein Zitat aus Hłaskos Biographie „Die schönen Zwanzigjährigen“, in der er über seinen Freund schrieb: „Gibt es für uns einen Ort, wo wir uns alle wieder treffen: rein, gut und ohne Zorn“ (Marek Hłasko, „Die schönen Zwanzigjährigen“, S. 55).
Erinnerung an Marek Hłasko in Wiesbaden und in Wrocław
Im Jahre 1975 wurde die Urne mit seiner Asche auf dem Warschauer Friedhof Cmentarz Powązkowski beigesetzt. In Wiesbaden blieb nur sein symbolisches Grab. Und obwohl es leer ist und nicht unter Denkmalschutz steht, steht es auf der Liste der Gräber, die wegen ihres historischen Wertes erhalten werden sollten. Darum hat sich der Deutsch-Polnische Verein Wiesbaden-Wrocław e.V. bemüht. Die Mitglieder des Vereinsvorstands: Jadwiga Lange, Ingeborg Toth und Krzysztof Kidula haben im April 2024 das symbolische Grab in Ordnung gebracht: das Unkraut und Gras weggemacht und neue Blumen eingepflanzt.
Der Verein setzt sich auch für die Enthüllung einer Gedenktafel für Marek Hłasko in Wiesbaden ein. Die Stadtverwaltung von Wrocław wird die Finanzierung dafür übernehmen (Wrocław und Wiesbaden sind seit 1987 Partnerstädte). Zwar gibt es noch keinen konkreten Zeitrahmen und auch der Ort steht noch nicht fest, aber die konzeptionelle Arbeit ist im Gange. „Der polnische Schriftsteller Marek Hłasko wird eine Gedenktafel erhalten“ – versichert Dr. Katherine Lukat, die Leiterin der Gedenkstättenabteilung im Wiesbadener Stadtarchiv.
In Wrocław hat der Schriftsteller schon im Mai 2024 eine Tafel bekommen im Rahmen des Marek-Hłasko-Jahres. Das Jahr 2024 wurde nämlich von dem polnischen Sejm zum Marek-Hłasko-Jahr erklärt. Sie wurde im Durchgang zum „Ossolineum“ (Zaułek Ossolińskich) aufgehängt, wo sich viele Manuskripte, Dokumente (u. a. der deutsche Pass von Hłasko) und Fotos (z. B. das letzte Foto aus Wiesbaden) befinden.
Die Ideengeberinnen der Tafel und der Ausstellung zu Ehren von Hłasko waren Dr. Kamila Sowińska, die ihre Magister- und Doktorarbeit über Marek Hłasko schrieb und Stadtführerin und Germanistin Małgorzata Urlich-Kornacka, die u. a. literarische Führungen und Autorentreffen in Wrocław organisiert. Mitfinanziert wurde die Tafel aus den Mitteln der Gemeinde Wrocław und des Reiseführervereines TUiTAM.
Um die Erinnerung an Marek Hłasko wach zu halten, organisierte der Deutsch-Polnische Verein Wiesbaden-Wrocław e.V. im April im örtlichen Presseclub einen Vortrag von Małgorzata Urlich-Kornacka über die Breslauer und Wiesbadener Spuren des Schriftstellers. In Wrocław dagegen wurde ein Treffen mit dem Regisseur Wiesław Saniewski organisiert, der den Dokumentarfilm „Zurück zum Marek“ (org. „Wracając do Marka“) vor einigen Jahren gedreht hat. Es ist ihm gelungen, noch die Aussagen von Sonja Ziemann zu dokumentieren und die entstehende Liebe zwischen Marek Hłasko und Sonja Ziemann darzustellen. Obwohl die Beziehung von Sonja und Marek viele Schattenseiten hatte (Marek litt unter Schlaflosigkeit und wurde mit der Zeit von den Schlaftabletten und anderen Barbituraten abhängig), ließ Sonja in dem Film eine schöne und warme Erinnerung an ihren polnischen Mann aufkommen. Wie der Portal Porta Polonica berichtet, hatte die vielleicht berühmteste deutsch-polnische Ehe der Nachkriegszeit das Potenzial, „ganze Ausgaben von Boulevardzeitungen in Polen und Deutschland zu füllen“. Sonja war für die Deutschen „der große Kinostar“ und Marek war (nur) „ihr polnischer Ehemann“. Für die Polen war er „der große literarische Rebell“ und sie (nur) „seine deutsche Frau“.
Emigration mündet in Selbstzerstörung und Tod
Marek Hłasko war der Typus des Schriftstellers, der außerhalb Polens nicht funktionieren konnte. Die von der kommunistischen Regierung erzwungene Emigration trug langsam zu seiner Selbstzerstörung bei. Sonja Ziemann schrieb darüber in ihrer Biographie „Ein Morgen gibt es immer. Erinnerungen“:
„Auch ich konnte mir vor unserer Verlobung in Israel kein rechtes Bild von Marek als einfachem Arbeiter machen. Denn als wir uns 1957 in Polen begegneten, war er nicht mehr Lastwagenfahrer. In seinen frühen Werken, nach acht Jahren Schulbildung, hatte er seine reichhaltigen Erfahrungen aus der Arbeiterklasse literarisch umgesetzt. Zur Zeit der Dreharbeiten zum «Achten Wochentag» konnte er sich bereits anderen Mißständen, die das autoritäre System mit sich brachte, zuwenden und sie literarisch verarbeiten. In der westlichen Welt gingen ihm diese beiden Ansatzpunkte verloren. Eine demokratische Wohlstandsgesellschaft mit sozialem Netz konnte ihm keine Themen bieten.
Diese Erfahrung hatte er zum ersten Mal in Paris gemacht, wo ihm die Inspiration fehlen musste, die bei ihm nur durch körperliche Arbeit entstehen konnte. Und diese Arbeit hatte zwingend zu sein, musste dem nackten Broterwerb dienen.
Das war dann auch in Deutschland nicht möglich gewesen und hätte natürlich nicht in unser öffentliches Bild gepasst. «Sie ist Filmschauspielerin, und er muß als Maurer arbeiten?» Undenkbar! Die Reporter wären vom Bau gefallen, die Zeitungen hätten ihm womöglich Koketterie mit dem Proletariat unterstellt und ihn den zeitgenössischen Literaten des Salonbolschewismus zugeordnet“.
(Sonja Ziemann „Ein Morgen gibt es immer. Erinnerungen“, S. 143).
Die Ehe ließ sich 1967 scheiden, aber die Beiden blieben in Kontakt. Seine letzten Jahre verbrachte Marek Hłasko in Israel, wo seine Erzählung „Alle hatten sich abgewandt“ mit Sonja Ziemann in der Hauptrolle vom ZDF verfilmt wurde. Weil noch weitere Filme entstehen sollten, ist Marek Hłasko nach Wiesbaden zu dem deutschen ZDF-Redakteur Hans-Jürgen Bobermin gekommen. Hier unterschrieb er einen festen Vertrag: fünf Jahre lang sollte er jedes Jahr Drehbücher zu israelischen Themen vorbereiten. Am Morgen des 14. Juni 1969 wurde der 35-jährige Marek Hłasko in der Wohnung des Redakteurs tot aufgefunden. Für einen regelmäßig mit Barbituraten vergifteten Organismus stellte sich die Verbindung von Schlaftabletten und Whisky tödlich heraus. Sonja Ziemann starb 2020 in München.
Text und Bilder (wenn nicht anderes angegeben) Małgorzata Urlich-Kornacka