Der Kappellenberg zu Kreisau – wo die Zeit stehen geblieben ist

Das niederschlesische Dorf Kreisau (Krzyżowa) ist als Wohnort von besonderen Menschen und Schauplatz von wichtigen Ereignissen einzigartig

Der Kapellenberg ist Teil dieser bewegten Geschichte.

Das kleine Dorf Kreisau (Krzyżowa) unweit von Schweidnitz (Świdnica) hat eine außergewöhnliche Geschichte. Hier hat der berühmte Feldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke sein Gut gehabt, hier wohnte sein Neffe, Helmuth James von Moltke, um den sich die Gruppe der Gegner von Adolf Hitler (Kreisauer Kreis) versammelte. Hier fand 1989 die Versöhnungsmesse statt, an der der damalige Bundeskanzler der Bundessrepublik Deutschland Helmut Kohl und der polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki teilnahmen. Wer hierher kommt, soll mehr Zeit mitbringen und auch einen Besuch in dem Berghaus und auf dem Kappellenberg abstatten. Besonders der letzte Punkt hinterlässt einen besonderen Eindruck.

Wenn man von dem Sitz der Kreisauer Stiftung links, Richtung Bahnhof abbiegt (der Bahnhof wurde speziell für den Kaiser Wilhelm II. erbaut, bevor dieser 1890 zum 90. Geburtstag des Feldmarschalls von Moltke gekommen ist), sieht man unterwegs eine Feldstraße, die nach rechts geht. Auf dem Wegweiser steht in drei Sprachen die Inschrift „Kappellenberg“. Der Name stammt von einer Kapelle, die auf der Spitze des Berges steht. Sie ist – wie so Vieles im Dorf – mit der Familie von Moltke verbunden.

Die Postkarte, die anlässlich des 100. Geburtstages des Feldmarschalls von Moltke herausgegeben wurde. Aus der Sammlung der Autorin.

Der Berg besteht aus drei Teilen: in dem unteren Teil befindet sich ein alter evangelischer Friedhof. Hier wurden vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1946 die Einwohner des Dorfes beerdigt. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet der Friedhof in Vergessenheit, das gesamte Areal wurde von Bäumen und Sträuchern wild überwuchert, es verschwanden einige der Grabsteine und Kreuze. Es ist ein Wunder, dass der Friedhof überhaupt erhalten geblieben ist. Das verdankt er den Einwohnern und dem örtlichen Priester Bolesław Kałuża. Dank seinem Engagement wurde der Friedhof nicht eingeebnet. In den 1990er Jahren führte man auf dem Gelände des Kappelenberges umfangreiche Räumungsarbeiten durch. Viele Grabsteintafel wurden von den Freiwilligen und Projektteilnehmern der Stiftung Kreisau eingesammelt: auf den Fundamenten einer Familiengruft wurde ein Lapidarium errichtet. Inzwischen kam hier wieder die Natur zum Wort – der Friedhof bildet einen großen grünen Teppich, wo nur ab und zu einzelne Gräber zu sehen sind. Bei dem Eingang zum Friedhof liegen zwei Steinblöcke. Es handelt sich um die Reste eines Kriegerdenkmals, das ursprünglich bei der Hauptstraße stand und den Gefallenen des Ersten Weltkriegs gewidmet war.

Den zweiten Teil des Kappelenberges bildet der Moltke-Friedhof, auf dem zwischen 1867 und 1945 Mitglieder der Familie von Moltke begraben wurden. Hier befindet sich auch eine symbolische Tafel für die Mitglieder der Familie Moltke, die nicht in Kreisau bestattet worden sind. Sie wurde in den 1990er Jahren auf Wunsch der Familie Moltke aufgestellt. Auf der Tafel sind folgende Namen aufgelistet: Carl Bernard von Moltke, der jüngere Bruder von Helmuth James von Moltke, der während des Zweiten Weltkrieges als Pilot in Afrika gefallen ist; Helmuth James von Moltke, der am 23. Januar 1945 für seine Wiederstandstätigkeit ermordet wurde und dessen Asche nach seiner Hinrichtung an einem unbekannten Ort verstreut worden ist und Freya von Moltke, die am 1. Januar 2010 in Norwich (Vermont) in den Vereinigten Staaten gestorben ist dort beerdigt worden ist.

Lapidarium auf dem evangelischen Friedhof.

Auf dem Gipfel des Berges steht das Grabmal des Generalfeldmarchalls Graf von Moltke – das Mausoleum, auch Moltkegruft genannt. Es wurde 1868 auf Befehl des Marschalls für seine Gemahlin, Mary von Moltke, geb. von Burt gebaut, die unerwartet im Alter von 42 Jahren verstorben ist. Auch die Schwester des Feldmarschalls, Augusta von Burt, geb. von Moltke starb ebenfalls vor ihrem Bruder und wurde in dem Mausoleum beigesetzt. Schließlich wurde 1891 die Kapelle auch zur Ruhestätte des Marschalls Helmuth Karl von Moltke. Zu seiner Beerdigung ist der Kaiser Wilhelm II. und sehr viele prominente Gäste gekommen. Aus dem Anlass wurde der kleine Bahnhof in Kreisau ausgebaut.

Heute hat das Mausoleum nur symbolische Bedeutung. Aus Angst vor der Schändung der Gebeine wurden die Särge verlegt – wohin, weiß man bis heute nicht. Den Erinnerungen Freya von Moltke zufolge, sollten 1945 acht deutsche Unteroffiziere in Begleitung eines Oberleutnants und eines Majors sowie vier Prominente aus Kreisau die Särge des Marschalls und seiner Frau aus der Kapelle in ein leeres gemauertes Grab auf dem Friedhof unterhalb der Kapelle gebracht haben. Was passierte weiter ist nicht bestätigt: einer Aussage nach sollten deutsche Bauern aus Kreisau kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee den Sarg mit dem Leichnam des Marschalls holen und ihn in der Nähe der Kapelle vergraben haben. Möglicherweise befindet er sich dort noch heute. Zur Erinnerung an die Familie wurden die Grabplatten mit den Namen und Lebensdaten der drei Toten in den Boden der Kapelle eingelassen. Nach der Renovierung der Kapelle wurde hier eine Figur des leidenden Christi aufgestellt.

Kreisau: Mausoleum, Schloss und Gefallenendenkmal. Quelle: www.polska-org-pl

Text & Bilder: Małgorzata Urlich-Kornacka