Von Stadt zu Dorf – von Dorf zu Stadt

Junge Städte mit langer Tradition auf Oberschlesiens Landkarte

Über Orte, die von Stadt zu Dorf degradiert und nach Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten wieder Städte wurden.

Klein Strehlitz (Strzeleczki) ist der Ort, der am 1. Januar 2024 als letzter in der Region nach fast 300 Jahren des „ländlichen Daseins“ das Stadtrecht wiedererhielt. Doch die Liste der traditionsreichen Orte, die ein ähnliches Schicksal geteilt haben und nach Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten in die elitäre Gruppe der Städte wiederaufgenommen wurden, ist viel länger.

Über 400 Jahre lang (1327–1742) war das im Landkreis Krappitz gelegene Klein Strehlitz offiziell eine Stadt. Der Ort, der – wie der Name schon besagt – von seiner Gründung an nicht zu den größten urbanen Zentren Oberschlesiens gehörte, verlor das Stadtrecht im Zuge einer preußischen Verwaltungsreform kurz nach dem Anschluss Schlesiens an den Staat der Hohenzollern. Zum selben Zeitpunkt verlor auch das 20 km entfernte Friedland (Korfantów) den Status einer Stadtgemeinde. Auf die Wiederverleihung des Stadtrechts musste der im Kreis Neisse gelegene Ort allerdings etwas kürzer als Klein Strehlitz warten, denn bereits 1993 beschloss der polnische Ministerrat über die Verwandlung Friedlands in eine Stadt. Knapp 100 Jahre (1915-2004) war auch das eindeutig städtisch anmutende Proskau (Prószków) im Landkreis Oppeln offiziell ein Dorf.

Bis 2004 war der Ring in Proskau formal ein Dorfplatz. Quelle: Sławomir Milejski, Wikimedia Commons.

Die älteste unter den jungen oberschlesischen Städten mit langer Tradition ist Kranowitz (Krzanowice) im Kreis Ratibor. Der urbane Charakter dieses Ortes wurde bereits 1265 von den böhmischen Königen bestätigt. Ähnlich wie im Falle Klein Strehlitz und Friedland sank die Bedeutung dieses historisch an der Grenze des deutschen, mährischen und polnischen Sprachraumes gelegenen Ortes nach dem Anschluss an Preußen im 18. Jahrhundert. Als Stadt gilt Kranowitz offiziell wieder erst seit 2001. Neben Kieferstädtel (Sośnicowice, bei Gleiwitz/ Gliwice), das 1996 nach fünf Jahrzehnten den Status einer Landgemeinde loswerden durfte, ist Kranowitz eine von zwei Städten in der von Kattowitz (Katowice) aus verwalteten Woiwodschaft Schlesien, in der es zweisprachige deutsch-polnische Ortsschilder gibt.

Kieferstädtel, von 1945 bis 1996 ein Dorf. Quelle: Bazie, Wikimedia Commons.

Das im Osten Oberschlesiens gelegene Berun (Bieruń) war über Jahrhunderte eine nicht unwichtige Stadt an der Grenze zu Königreich Polen, der polnisch-litauischen Adelsrepublik und später der Habsburgermonarchie. Im Jahr 1975 traf es ein hartes Schicksal. Mit der durch die Behörden der Volksrepublik Polen durchgeführten großen Verwaltungsreform verlor Berun nicht nur seinen bisherigen Status. Auch verschwand sein Name von der Landkarte, da es nach der Eingemeindung nach Tichau (Tychy) lediglich einen peripheren Teil der ständig wachsenden sozialistischen Vorzeigestadt bildete. Direkt nach der politischen Wende von 1989 unternahm die lokale Gemeinschaft Bemühungen um die Wiedererlangung des Stadtrechts, die zwei Jahre später mit einem Erfolg gekrönt wurden. Das knapp 20.000 Einwohner zählende Berun ist die größte der alten-neuen Städte Oberschlesiens.

Der Hauptplatz in Friedland. Quelle: MOs810,  Wikimedia Commons.

Ein interessanter Fall ist das 1561 gegründete Georgenberg (Miasteczko Śląskie). Denn mehrmals in der Geschichte verlor es das Stadtrecht, um es später – zuletzt 1994 – wieder zu erhalten. Nach einer knapp 20-jährigen Zugehörigkeit zu Tarnowitz (Tarnowskie Góry) genießt der 7.000-Einwohner-Ort nun wieder den Rang einer separaten Stadt.

Um den Status einer Stadt zu erlangen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Vor allem muss sich die Bevölkerungszahl auf mindestens 2.000 belaufen, wobei der Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Einwohner nicht höher als 40 Prozent sein darf. Überdies muss der Ort einen zentralen Teil haben und über entsprechende Infrastruktur (Wasserleitungen, Kanalisation) verfügen. Bei Ortschaften, die in der Vergangenheit Stadtrecht besaßen, ist die Erlangung des Stadtrechts in der Regel weniger kompliziert, da sie meist einen entsprechenden städtebaulichen Grundriss aufweisen können. Über die Verleihung des Stadtrechts entscheidet der Ministerrat.

Rathaus am Ring von Georgenberg. Quelle: Gabriel Wilk,  Wikimedia Commons.

Länger als die Liste der historischen Städte, die das Stadtrecht wiedererlangten, ist allerdings jene der Orte, die dieses Privileg wohl endgültig verloren haben. Hierzu gehören unter anderem Schurgast (Skorogoszcz), Deutsch Neukirch (Nowa Cerekwia), Troplowitz (Opawica), Steinau in Oberschlesien (Ścinawa Mała), Pilchowitz (Pilchowice), Karlsmarkt (Karłowice), Kasimir (Kazimierz), Alt Grottkau (Stary Grodków) und Friedrichstadt (Radoszyn), heute Teil der Stadt Neisse (Nysa).

Text: Dawid Smolorz