Kommunistische Verbrechen verjähren nicht
Mehr als vier Jahrzehnte nach den dramatischen Ereignissen, die ganz Polen erschütterten, wird gegen ehemalige Angehörige der Bürgermiliz (Milicja Obywatelska, MO) Anklage erhoben.
Angesichts der Erkenntnisse, die die jüngsten Ermittlungen des Instituts für Nationales Gedenken IPN brachten, wird gegen neun ehemalige Beamte der kommunistischen Polizei gerichtlich vorgegangen, welche Ende August / Anfang September 1982 bei der Zerschlagung einer friedlichen Demonstration und der späteren Proteste der Lübener Bürger eingesetzt worden waren. Dies teilten kürzlich in einer Konferenz Vertreter des IPN und der polnischen Generalstaatsanwaltschaft. Die Anklage wird sich gegen jene Beamten richten, die Demonstranten brutal zusammenschlugen und von der Schusswaffe Gebrach machten. Für diese Taten droht ihnen eine Freiheitsstrafe von bis zu acht Jahren.

Am 31. August 1982, neun Monate nach der Verhängung des Kriegsrechts durch die von Moskau abgängige Regierung General Jaruzelskis, fand auf einem der zentralen Plätze der Stadt Lüben/ Lubin (bei Liegnitz/ Legnica) eine „illegale“ Demonstration statt. Der Anlass war der zweite Jahrestag der sog. August-Abkommen von 1980, mit denen u.a. „Solidarność“ – die einzige freie Gewerkschaft des Ostblocks – offiziell anerkannt worden war. Obwohl die Demonstration einen friedlichen Charakter hatte, gingen Beamte der Bürgermiliz gegen die Teilnehmenden äußerst brutal vor. Wohlgemerkt erfolgte der Angriff nicht während der Kundgebung, sondern nach deren Abschluss, als sich die Menge bereits zerstreute. Die Milizionäre schossen auf wehrlose Menschen mit Maschinenpistolen, beschossen Treppenhäuser und Keller, in denen Demonstranten Zuflucht suchten, und warfen Tränengas- und Schockgranaten durch offene Fenster in zufällige Wohnungen. Die „Wiederherstellung der Ordnung“ durch insgesamt ca. 1.000 bewaffnete Beamte der kommunistischen Polizei kostete drei Menschen das Leben. Elf weitere wurden schwer verletzt, 350 verhaftet. Mehr über die Hintergründe der Ereignisse von 1982 lesen Sie bei SILESIA News.
Nach der politischen Wende fanden mehrere Prozesse gegen beteiligte Beamte der Bürgermiliz statt. Nur in drei Fällen wurden rechtskräftige Freiheitsstrafen ausgesprochen. Die jüngsten Ermittlungen wurden 2022 aufgenommen.

Einen Eindruck über die kriegsähnlichen Zustände in Lüben Ende August / Anfang September 1982 vermittelt die auf YouTube verfügbare Tonaufnahme, die ein unbekannter Einwohner der Stadt aufgezeichnet hat (mit Kommentaren in polnischer Sprache).
Text: Dawid Smolorz