Rettung deutscher Grabsteine in Legnica (Liegnitz)

Teile deutscher Grabsteine im Straßenpflaster entdeckt und geborgt

Bürgerinitiative zwingt Kommunalbehörden zur schnellen Handlung.

Im niederschlesischen Legnica, das bis 1945 Liegnitz hieß, gab es bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs einen großen städtischen Friedhof in der Breslauer Straße. Nach der Grenzverschiebung wurde die Stadt, die zunächst unter sowjetischer stand und polnisch wurde, von Siedlern aus Mittel- und Ostpolen besiedelt. Sie kamen, ließen sich hier nieder und auch starben. Der Friedhof wurde langsam polnisch. Deutsche Grabsteine wurden demontiert und, wie man munkelte, auf einem Haufen in einer Grünanlage neben dem Friedhof deponiert.

Ende, vielleicht auch schon Mitte der 1970er Jahre, wurde beschlossen, das Steinproblem auf zivilisierte und vor allem endgültige Weise zu lösen. Natürlich hatten die interessanteren Grabsteine, die von niemandem betreut wurden, längst neue Besitzer gefunden. Es war üblich, dass solche Materialien von Steinmetzen aus ganz Polen abgeholt wurden. Es gab sogar eine Preisliste, in der die Preise je nach Art und Größe des Steins angegeben waren. Haben sich Steine aus Legnica im ganzen Land “verbreitet”? Dafür gibt es keine Beweise. Als man sich entschied, was man mit ihnen machen wollte, gab es immer noch genug, um eine etwa 2 m hohe und über 1,5 km lange Doppelmauer zu bauen. Doppelt, weil die Platten mit Inschriften verklebt waren. Und nur an einigen Stellen finden sich heute noch Grabschmuck, Fragmente von Inschriften.

Im Jahr 2014 besuchte die (heute nicht mehr existierende) Historische Stiftung Liegnitz.pl nach einem Hinweis eines Einwohners von Legnica die Bauschuttdeponie der Stadt. Unter den Trümmern unterschiedlicher Herkunft wurden vollständige Grabsteine mit deutschen Inschriften entdeckt. Sie wurden von Mitgliedern der Stiftung geborgen und bildeten den Anfang des Lapidariums von Legnica, das dank der Stadtverwaltung auf dem städtischen Friedhof an der Wrocławska-Straße eingerichtet wurde. Man könnte sagen, dass sie nach einer langen Zeit der Vernachlässigung an den ihnen zustehenden Platz zurückgekehrt sind.

Die heutigen Bewohner von Legnica betrachten das Lapidarium mit Wohlwollen und Respekt. Die lokalen Medien berichten eifrig über die neuen Tafeln, die hier zu finden sind. Und diese werden immer noch irgendwo gefunden, was beweist, dass den heutigen Bewohnern dieser Stadt ihre Vergangenheit am Herzen liegt. Die Geschichte machte in ganz Polen die Runde.

Grabstein in der Friedhofsmauer in Legnica.

Es gibt aber auch Situationen wie diese. Am 1. November 2021 entdeckte ich beim traditionellen Anzünden einer Kerze an der Friedhofsmauer in einem Bereich, den ich noch nie zuvor besucht hatte, eine vollständige Platte, die in die Mauer eingelassen war. Später konnte ich durch alte Nachrufe im Liegnitzer Tageblatt mehr über den Mann herausfinden. Carl Müller, Vater, Bruder, Schwager und Onkel, starb am 15. Februar 1922 um 5 Uhr morgens im Alter von 42 Jahren. Er wurde von seiner Witwe Marta Müller, geborene Kiefert, verabschiedet, und der Trauergottesdienst wurde von Pastor Grunewald geleitet. Sein Freund und Weggefährte Hugo Würffel meldete seinen großen Verlust. Der Verstorbene war Kaufmann und Leiter einer Ladenkette. Er gehörte einem Männerchor an und nahm so aktiv am Leben der Stadt teil. Als die Mauer des Friedhofs von Legnica gebaut wurde, retteten ihn freundliche Hände vor der Vergessenheit.

Am 17. Mai 2022 erhielt der Verein TILIAE aus Legnica von einem Leser der Website Piątnica/ Pfaffendorf Kreis Liegnitz die Information, dass der Parkplatz in der Straße ul. Zamkowa 8 in dieser Stadt mit Teilen von deutschen Grabsteinen gepflastert ist. Nach einer von der Vereinigung am 21. Mai durchgeführten Inspektion wurden diese Informationen und das Fotomaterial auf der oben genannten Website veröffentlicht, in der Hoffnung, einen Termin für die Pflasterung festzulegen. Das Ausbleiben einer Antwort zwang zu einem weiteren Schritt. Am 25. Mai wurde ein Schreiben an den Bürgermeister der Stadt mit der Bitte um Intervention gesandt. Die Reaktion der städtischen Behörden erfolgte sofort.

Am selben Tag wurde ein Schreiben an die Vereinigung geschickt, das an das Unternehmen gerichtet war, das den Ort verwaltet. In dem Schreiben wurde die schnellstmögliche Entfernung der Platten angeordnet. Dies geschah in Anwesenheit eines Vertreters des Vereins am 9. Juni. Insgesamt wurden 12 Blöcke mit sichtbaren Inschriften oder Symbolen gehoben. Sie wurden in die Obhut des Vereins TILIAE gegeben und auf den Friedhof in der ul. Szczytnicka in Legnica gebracht. Es handelt sich um den kleinen, seit 1965 geschlossenen Friedhof des ehemaligen Dorfes Pfaffendorf, der seit 2019 vom Verein betreut wird (SILESIA News berichtete). Die geretteten Würfel stammen von einer Deponie, aus der die Stiftung Liegnitz.pl 2014 die ersten vollständig erhaltenen Grabsteine geborgen hat. Wenn der Stadtrat zustimmt, wird TILIAE dort vielleicht weitere Erinnerungsstücke finden.

Text: Hanna Szurczak
Übersetzung und Redaktion: Agnieszka Bormann
Bilder: Archiv des TILIAE-Vereins