80 Jahre Oberschlesische Tragödie

Mit Gedenkfeierlichkeiten, Märschen und Seminaren wurde der Opfer gedacht

Erstmalig bekam die Oberschlesische Tragödie eine überregionale und sogar internationale Aufmerksamkeit.

Als Oberschlesische Tragödie bezeichnet man Ereignisse im Zusammenhang mit der Besetzung der Region durch die Rote Armee im Jahre 1945 sowie die Schikanen der polnisch-kommunistischen Verwaltung in den frühen Nachkriegsjahren. Wegen des runden Jahrestages hatten die diesjährigen Gedenkveranstaltungen einen besonders feierlichen Charakter und hatten zum Teil auch überregionale Dimension. Beispielsweise wurde auf Initiative des Europaabgeordneten Łukasz Kohut (Bürgerkoalition KO) im Brüsseler Europaparlament eine Ausstellung über die Verschleppung der Oberschlesier in die Sowjetunion präsentiert. An der Gedenkkundgebung im Beuthener Stadtteil Miechowitz (Miechowice), in dem die sowjetische „Befreiung“ 380 Menschen das Leben gekostet hatte, nahmen wiederum außer den Politikern aus der Woiwodschaft Schlesien auch der Marschall des polnischen Sejm Szymon Hołownia (Polen 2050) und die Senatsmarschallin Małgorzata Kidawa-Błońska (Bürgerkoalition KO) teil. Anschließend wurden die deutsch-sowjetischen Kämpfe und die Eroberung des Ortes durch die Rotarmisten in einer historischen Inszenierung von Reenactment-Gruppen aus Polen und Tschechien nachgestellt.

Wie jedes Jahr nahmen mehrere Hundert Menschen an dem Zgoda-Marsch teil, der von Kattowitz (Katowice) bis zum Tor des ehemaligen Lagers „Zgoda“ in Schwientochlowitz (Świętochłowice) führte. Diese wiederkehrende Gedenkveranstaltung wurde 2009 von der Bewegung für die Autonomie Schlesiens (RAŚ, Ruch Autonomii Śląska) initiiert. Nach der Übernahme des deutschen Konzentrationslagers „Eintrachthütte“ durch das polnische Ministerium für öffentliche Sicherheit im Februar 1945 wurden dort vor allem oberschlesische Deutsche, aber auch Angehörige der antikommunistischen polnischen Untergrundbewegung unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert und auf brutale Weise systematisch gefoltert.

Gedenktafeln am Tor des ehemaligen Lagers Zgoda in Schwientochlowitz. Quelle: Drozdp, Wikimedia Commons

Die größte Gedenkfeier im Oppelner Teil Oberschlesiens fand auf dem Gelände des ehemaligen Arbeitslagers in Lamsdorf (Łambinowice) statt, in dem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges deutsche Zivilbevölkerung aus umliegenden Orten interniert worden war. Der Veranstaltung wohnten neben den führenden Vertretern der regionalen Verwaltung auch der Vorsitzende des Verbandes der Deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaften in Polen Rafał Bartek und der deutsche Konsul aus Oppeln (Opole) Peter Herr bei.

Kleinere Gedenkveranstaltungen unterschiedlichster Form gab es auch in vielen anderen Orten der Region. Ihre Initiatoren waren Kommunen, lokale Vereine und Organisationen der deutschen Minderheit. 

Ein Ereignis für sich war die Ausstrahlung des Monodramas „Mianujom mie Hanka (Sie nennen mich Hanka) im ersten Programm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP am Abend des 27. Januar. Die Titelfigur schildert in diesem Theaterstück das Schicksal ihrer Familie im turbulenten 20. Jahrhundert, thematisiert dabei auch die Oberschlesische Tragödie.

Die Oberschlesische Tragödie ist ein sehr komplexes Thema und umfasst die Ereignisse von 1945 und den ersten Nachkriegsjahren. Dem blutigen Einmarsch der Roten Armee folgte eine Terrorwelle von unvorstellbarem Ausmaß. Morde, Vergewaltigungen, Plünderungen, Deportationen, Zwangsarbeit und Hungersnot prägten den Alltag der deutschen und slawischen Oberschlesier in den Monaten nach der Besetzung der Region durch die Sowjets. Nach der Übernahme Oberschlesiens durch die polnisch-kommunistische Verwaltung folgten weitere massive Schikanen gegen die Einheimischen sowie die Vertreibung eines Teiles der deutschen Bevölkerung. Mindestens 50.000 Oberschlesier wurden in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit verschleppt. Nur die wenigsten kehrten zurück.

Gedenkveranstaltung vor dem mit oberschlesischen Fahnen dekorierten Gemeindeamt in Tworog (Tworóg). Quelle: Facebook-Account Gmina Tworóg

Hinsichtlich der Aufarbeitung der Ereignisse von 1945 ist Oberschlesien ein Phänomen. In keiner anderen polnischen, aber wahrscheinlich auch in keiner anderen mitteleuropäischen Region wird die Erinnerung an die sowjetische „Befreiung“ und das Unrecht der jungen kommunistischen Verwaltung so stark gepflegt. Die sowjetischen und polnischen Verbrechen an der deutschen und slawischen Bevölkerung Oberschlesiens – bis 1989 ein absolutes Tabuthema – sind heute ein wichtiges Element der Erinnerungskultur. Sowohl der Sejmik (Regionalparlament) der Woiwodschaften Schlesien als auch der Woiwodschaft Oppeln erklärten das Jahr 2025 zum Gedenkjahr der Oberschlesischen Tragödie. Zum ersten Mal in seiner Geschichte gedachte auch der Warschauer Sejm der Opfer der Ereignisse von vor 80 Jahren. Eindeutig wurde dabei hervorgehoben, dass nicht nur die Sowjetunion, sondern auch die kommunistischen Behörden der Volksrepublik Polen Verantwortung für die begangenen Verbrechen tragen.

Text: Dawid Smolorz

Leseempfehlung: Publikation: Das Buch der im Jahr 1945 Festgenommenen, Internierten und aus Oberschlesien in die Sowjetunion Deportierten – Silesia News