Oberschlesisches Schicksal im polnischen Fernsehen

Das Monodrama „Mianujom mie Hanka“ des Kattowitzer Theater Korez wurde im Ersten Programm des öffentlich-rechtlichen TVP präsentiert

Für viele Oberschlesier zweifelsohne das TV-Ereignis des Jahrzehnts.

Am 27. Januar 2025 strahle das erste Programm des öffentlich-rechtlichen polnischen Fernsehens TVP das vom Kattowitzer Theater Korez auf die Bühne gebrachte Monodrama „Mianujom mie Hanka (Sie nennen mich Hanka) aus. Für viele Oberschlesier war das zweifelsohne das TV-Ereignis des Jahrzehnts.

Ankündigung der TV-Premiere. Quelle: Facebook TVP 1.

Es war in vieler Hinsicht ein Abend von besonderer Bedeutung für die Region. Das Theaterstück überzeugt mit künstlerisch hohem Niveau und wird komplett auf Oberschlesisch gespielt, was vor allem für die Zuschauer von außerhalb der Region eine Überraschung ist. Im gewissen Sinne wurde dadurch die Muttersprache von mehreren hunderttausend polnischen Bürgern, deren Anerkennung als Regionalsprache Staatspräsident Andrzej Duda im vergangenen Jahr mit seinem Einspruch torpediert hatte, salonfähig gemacht. Mit der Ausstrahlung von „Mianujom mie Hanka vollzog sich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen noch eine weitere Revolution. Denn bisher (vor allem in den vergangenen Jahren) wurde dort selten darauf hingewiesen, dass die einheimische Bevölkerung des 1922 an Polen angeschlossenen Ostoberschlesiens nicht nur im Dritten Reich, sondern auch im Polen der Zwischenkriegszeit und in der kommunistischen Volksrepublik zum Teil massiven Schikanen ausgesetzt war. Und dass die Schuld an den 1945 an Oberschlesiern verübten Verbrechen nicht allein die Sowjets tragen.

Die einzige Protagonistin des Dramas ist eine oberschlesische Frau, die das tragische Schicksal ihrer Familie im turbulenten 20. Jahrhundert schildert. Wie viele ihrer Landsleute muss sie für ihre Entscheidungen schwerwiegende Konsequenzen tragen. Die Titelfigur wurde sowohl nach 1939 von den deutschen Behörden als auch nach 1945 von der polnischen Verwaltung schikaniert. Die letzteren Schikanen führten sogar sie und ihre Söhne in das berüchtigte polnische Lager „Zgoda“. Die in der Rolle von Hanka großartige Grażyna Bułka stammt aus Schwientochlowitz (Świętochłowice) und die im Theaterstück angesprochenen Inhalte sind auch Teil ihrer Familiengeschichte. Wohl deshalb wirkt die Schauspielerin so authentisch als Hanka. Im Kattowitzer Theater Korez wird das Stück mit großem Erfolg schon seit 2016 gespielt. Der Autor des Dramas, Alojzy Lysko, arbeitet derzeit an dessen polnischsprachiger Fassung.

Szene aus „Mianujom mie Hanka“. Quelle: Jeremi Astaszow, www.teatrkorez.pl

Ergänzend sei hervorzuheben, dass die Aufführung die ostoberschlesische Perspektiven zeigt. Dort war nämlich zumindest ein Teil der Bevölkerung gleichermaßen gegenüber dem deutschen und dem polnischen Staat distanziert. Die Oberschlesier aus dem 1922 beim Reich verbliebenen Teil machten in der Weimarer Republik sowie während und nach dem Zweiten Weltkrieg teilweise andere Erfahrungen und betrachteten deshalb Deutschland mehrheitlich als ihr eigenes Land.

Das 1990 gegründete private Teatr Korez ist ein Phänomen in der oberschlesischen Kulturlandschaft. Die höchst verdiente Einrichtung fördert mit seinen Aufführungen seit vielen Jahren konsequent die regionale Identität. Außer „Mianujom mie Hanka“ gehört die Inszenierung des Romans von Janosch „Cholonek oder der liebe Gott aus Lehm“ zu seinen größten Erfolgen.

Das Theaterstück ist auf der Homepage des TVP abrufbar.

Text: Dawid Smolorz