Andrzej Duda legt sein Veto gegen die vom Sejm verabschiedete Novelle des Minderheitengesetzes ein
Damit positioniert er sich gegen die Anerkennung des Oberschlesischen als Regionalsprache.
Am 29. Mai legte der polnische Präsident Andrzej Duda Einspruch gegen die am 26. April vom Sejm verabschiedete Novelle des Minderheitengesetzes ein, die die Anerkennung des Oberschlesischen als Regionalsprache zum Ziel hatte. Die Novelle wurde auch vom Senat, der zweiten Kammer des polnischen Parlaments, bestätigt.
Dudas Veto ist keine große Überraschung. Die polnischen Konservativen, zu denen er auch zählt, nahmen ja von Anfang an eine negative Stellung gegenüber den Bestrebungen um die Anerkennung des Oberschlesischen ein. In der Erläuterung zu seinem Einspruch weist der Staatspräsident auf die angeblich fehlenden sprachwissenschaftlichen Grundlagen hin. Auch drückt er die Befürchtung aus, dass die Gesetzesnovelle andere Gemeinschaften in Polen dazu bewegen könnte, für ihre Dialekte den Status einer Regionalsprache beantragen zu wollen. Eindeutig bezieht sich das Staatsoberhaupt zudem auf die aktuelle geopolitische Situation, indem er schreibt, dass die Aktivitäten, die gegen die Republik Polen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine unternommen werden könnten, eine besondere Sorge um die Wahrung der nationalen Identität erfordern würden.
Vor allem das letztere Argument findet Prof. Jolanta Tambor, die die Begründung für die Gesetzesnovelle vorbereitete, absurd. „Ich kann überhaupt nicht verstehen, was die Oberschlesier mit dem Hybridkrieg jenseits der polnischen Ostgrenze gemeinsam haben“, sagte die Sprachwissenschaftlerin in ihrem Gespräch mit der Polnischen Presseagentur PAP. Es sei beleidigend, die Bestrebungen, die seit 20 Jahren unternommen werden, mit dem Ukraine-Krieg in Verbindung zu bringen, so Prof. Tambor, stellvertretende Vorsitzende des Rates der oberschlesischen Sprache. Auch in der Stellungnahme der Bewegung für die Autonomie Schlesiens (RAŚ) wird die Verwunderung darüber ausgedrückt, dass für Andrzej Duda die Gefahr aus dem Ausland ein Argument für kulturelle Vereinheitlichung des Landes sei. So gesehen würde die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr zu einer Abstimmung für oder gegen die oberschlesische Identität werden, ist auf dem Facebook-Account der RAŚ zu lesen. Enttäuscht zeigten sich Premierminister Donald Tusk (Bürgerkoalition KO), der während des Wahlkampfes im Herbst 2023 seine Unterstützung für die Anerkennung des Oberschlesischen als Regionalsprache erklärt hatte, und Sejm-Vorsitzender Szymon Hołownia (Polska 2050). Letzterer kommentierte das Veto des Staatspräsidenten mit den Worten: „Vielfalt ist die Stärke Polens und nicht eine Gefahr für das Land. Schade, dass Sie das nicht verstehen“.
Die Entscheidung von Andrzej Duda schließt praktisch jede Chance auf die Anerkennung des Oberschlesischen als Regionalsprache vor der Wahl eines neuen Präsidenten aus. Um die Gesetzesnovelle trotz des Einspruchs des Staatsoberhauptes zu verabschieden, bräuchte die Regierungskoalition eine Dreifünftel-Mehrheit. Über diese verfügt sie aber im Moment nicht.
Über die nun vorläufig gescheiterten Bestrebungen um die Anerkennung des Oberschlesischen als Regionalsprache lesen Sie hier.
Text: Dawid Smolorz