Protest auf dem Oppelner Freiheitsplatz
Das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) ruft zum Protest auf – gegen eine Diskriminierung der Deutschen in Polen.
Ein seltener und beeindruckender Anblick am Dienstagabend (22. Februar 2022) auf dem Oppelner Freiheitsplatz im Zentrum der Stadt. Eine schwarz-rot-goldene Fahne tanzt im Wind, im Hintergrund das monumentale Denkmal der Oppelner Nike, der Siegesgöttin, die über den Bullen triumphiert, auf dem sie aufsitzt. Entstanden 1970 zu Ehren der polnisch gesinnten Oberschlesier, die nach der für Deutschland erfolgreichen Volksabstimmung 1921 am Annaberg für einen Anschluss Oberschlesiens an Polen gekämpft hatten.
Auch Blumenketten und Hüte in den Deutschlandfarben, wie zu wichtigen Fußball-Länderspielen von Fans getragen werden, schimmern im Dunkel dieses besonderen Abends.

Zahlreiche Bürger – Aktivisten, Politiker, Lehrer und Künstler, Deutsche und Polen – sind hier versammelt, weil sie alle dagegen sind, dass ab dem neuen Schuljahr am ersten September der muttersprachliche Deutschunterricht im Land gekürzt werden soll (Artikel von Dominik Duda in SILESIA News). Zum Protest aufgerufen hatte das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD), eine im November 2015 ins Leben gerufene polnische Bürgerbewegung, die gegen die umstrittenen Reformen der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PIS) auf die Straßen gegangen war.
„Mir ist das nicht egal, das sind unsere Mitbürger, unsere Nachbarn“, sagt die Aktivistin Małgorzata Besz-Janicka. „Außerdem ist das eine regionale Angelegenheit. Gerade bei uns im Oppelner Land wird doch deutlich, wie gut Deutsche und Polen in Versöhnung leben und einander bereichern. Deshalb ist es ganz besonders wichtig für uns.“

Was Warschau offensichtlich übersieht: Nach wie vor verschafft die deutsche Sprache Schlesien einen wichtigen Standortvorteil und trägt wesentlich dazu bei, dass es der Region wirtschaftlich gut geht. Firmen aus Deutschland und der Schweiz lassen sich hier nieder und schaffen Arbeitsplätz, sie sind aber auch attraktive Handelspartner für hiesige Unternehmen. „Das ist unsere Zukunft!“, sagen die Oppelner.
Weil von den Kürzungen des muttersprachlichen Unterrichts nur die deutsche Minderheit im Land betroffen ist, nicht aber andere Minderheiten wie etwa die Ukrainer, wird diese von der polnischen Regierung getroffene Entscheidung als gezielte Diskriminierung empfunden. Der Vorsitzende der Oppelner Deutschen Minderheit (SKGD), Rafal Bartek, freut sich deshalb über die Unterstützung aus der polnischen Mehrheitsbevölkerung. „Der polnische Staat sagt uns damit, dass wir weniger wert sind. Dass aber die Oppelner Bürger an unserer Seite stehen, bedeutet uns viel.“

Um umgerechnet rund 10 Millionen Euro will die polnische Regierung die Mittel kürzen und die Deutschstunden von drei auf eine reduzieren. Auf den Weg gebracht hat all das der aus Oppeln stammende Sejm-Abgeordnete Janusz Kowalski, der immer wieder mit antideutschen Tönen auf sich aufmerksam macht. Dass die Polen in Deutschland keine anerkannte nationale Minderheit sind, so wie die Deutschen in Polen, verärgert den Solidarna-Polska-Politiker. Er möchte deshalb von den Geldern den sogenannten herkunftssprachlichen Polnischunterricht in Deutschland fördern, und das, obwohl die Bundesländer jährlich insgesamt rund 200 Millionen Euro in eben jenen Unterricht investieren und die Polonia bereits im Dezember 2021 signalisierte, dass es keinen weiteren Bedarf gebe.

Wie groß Kowalskis Groll gegen die Deutschen ist, wird zuletzt noch einmal deutlich, als er ankündigt, eine Kommission ins Leben rufen zu wollen, die damit beauftragt werden soll, Gelder, die die Nazis vom Bund der Polen in Deutschland konfiszierten, zurück zu erlangen. Dabei gehe es um rund 100 Millionen Euro. Der Bund entstand vor genau 100 Jahren als eine Art Minderheitenorganisation vor allem auf dem Gebiet des heutigen Polens.
Zurück zum Protest auf dem Oppelner Freiheitsplatz: Im Laufe des Abends versammelt sich auch eine Gruppe Gegendemonstranten, fünf Personen gehören ihr an. Wie auf verlorenem Posten angesichts der ihnen gegenüberstehenden Menschentraube, skandierten sie: „Hier ist Polen und nicht Deutschland.“ Die Rufe verhallen schnell, und friedlich geht der Protest nach einer Stunde zu Ende. Für die deutsche Minderheit aber ist der Widerstand nicht vorbei, bis die Regierung ihre Entscheidung rückgängig macht.
Text & Fotos: Marie Baumgarten