Die jüdische Seele. Schätze der jüdischen Gemeinde zu Wrocław (Breslau)

In der Synagoge zum Weißen Storch kann man erstmalig Kunstwerke aus der Schatzkammer der jüdischen Gemeinde bewundern

Die Ausstellung ist auch in deutscher Sprache zugänglich.

“Die jüdische Seele” – so heißt die Ausstellung, die in der Alten Synagoge in Wrocław (Breslau), genannt “Synagoge zum Weißen Storch” seit November 2022 präsentiert wird. Zum ersten Mal werden hier Kunstwerke ausgestellt, die noch nie zuvor der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden: mehr als fünfzig Objekte aus der Schatzkammer der jüdischen Gemeinde wurden dank der Zusammenarbeit mit dem Nationalmuseum Wrocław und dank der finanziellen Unterstützung der Gemeinde Wrocław restauriert und wissenschaftlich aufbereitet. Man kann sie jetzt in einer Dauerausstellung in der Synagoge sehen: von Montag bis Donnerstag von 15.00 bis 18.00 Uhr (Aktuelle Informationen hier). Die Beschreibung der Ausstellung wurde in drei Sprachen vorbereitet: Polnisch, Englisch und Deutsch.

An der Eröffnung der Ausstellung nahm u. a. Michael Joseph Schudrich, amerikanisch-polnischer Religionswissenschaftler und Historiker, seit 2004 Oberrabbiner von Polen, teil.

Zur Zeit ist es gelungen nur einen Teil der Gegenstände, die sich im Besitz der jüdischen Gemeinde befinden, zu präsentieren. In der Zukunft werden noch Textilien und Thorarollen gezeigt. Sie müssen aber noch restauriert, bearbeitet und beschrieben werden. Der erste Teil der Ausstellung gibt aber schon jetzt einen Einblick in die interessante und wechselvolle Geschichte der Juden in Breslau. Der größte Teil der Sammlung besteht aus den Gegenständen, die aus der Blütezeit der jüdischen Gemeinde, also aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen. Damals war die jüdische Gemeinde in Breslau die drittgrößte in Deutschland (nach Berlin und Frankfurt am Main).

„Diese Artefakte sind Zeugen der Geschichte. Die stummen Zeugen, aber sie lassen uns erfahren, wie das Leben hier ausgesehen hat. Sie regen uns an, über die Schöpfer der Gegenstände nachzudenken. Wir können sie durch ihre Werke kennenlernen“ – sagte Dr. hab. Piotr Oszczanowski, Direktor des Nationalmuseums, bei der Eröffnung der Ausstellung in seinem Vortrag über die „Judaika der Breslauer Goldschmiedekunst“.

Woher die präsentierten Gegenstände stammen und wie sie nach Breslau gekommen sind, ist bis heute nicht klar. Leider sind viele Dokumente verlorengegangen. Sicher ist, dass sie aus vier verschiedenen Quellen stammen: ein Teil der Gegenstände kommt aus der Vorkriegszeit. Im Jahre 1929 wurde im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer in Breslau (an dieser Stelle steht heute das Nationalforum der Musik) eine Ausstellung „Juden in der schlesischen Geschichte“ organisiert. Sie wurde von dem damaligen Direktor des Museums Prof. Erwin Hintze zusammen mit dem Verein zur Gründung des Jüdischen Museums in Breslau vorbeireitet. Unter den 600 Objekten, die damals gezeigt wurden, waren 230 von ihnen Werke der bekannten Breslauer Goldschmiede und Künstler. Innerhalb von sechs Wochen wurde die Schau von 13.000 Zuschauern besucht.

Die Ausstellung sollte die wichtige Rolle der Juden in der Geschichte Schlesiens in einer Zeit zunehmender Diskriminierung und Verfolgung kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten zeigen. Diese außergewöhnliche Ausstellung wurde trotz der ungünstigen Zeit im Königlichen Schloss präsentiert. Nachdem sie verboten wurde, hat sich die jüdische Gemeinde entschieden, selbst ein Jüdisches Museum zu eröffnen. Es befand sich in dem Gebäude des ehemaligen jüdischen Waisenhauses in der Gräbschener Str. 61-65 (heute ulica Grabiszyńska). Das Museum wurde 1938 geschlossen, seine Sammlung größtenteils geplündert.

Die Tafel mit den Zehn Geboten, die sich über dem Heiligen Schrank (Aron-ha-kodesh) in der Synagoge befand. Sie verschwand und tauchte dann in der Sammlung des Stadtmuseums wieder auf. Weil heute der große Saal in der Synagoge auch den Konzertzwecken dient, wird diskutiert, ob sie dorthin zurückkehren sollte.

Viele von den Gegenständen sind verlorengegangen, viele kann man bis heute in verschiedenen Auktionshäusern in der ganzen Welt sehen. Einige Gegenstände, z. B. aus der während der Pogromnacht angezündeten Neuen Synagoge, wurden von den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde gerettet und versteckt.

Die andere Quelle bilden die Kostbarkeiten, die nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit den Zwangsumsiedlern und neuen Einwohnern der Stadt hierherkamen. Die dritte Quelle bilden die Gegenstände, die von verschieden Einrichtungen, z. B. Staatsanwaltschaft an die jüdische Gemeinde zurückgegeben wurden. Die letzte Gruppe sind die Gaben der heutigen Mitglieder der jüdischen Gemeinde oder anderer Personen, deren das Schicksal der Gegenstände am Herzen liegt. Sie haben sich entschieden, die Sachen an die Gemeinde zu verschenken. So ein Beispiel bildet das Ewige Licht, das von dem Kunsthistoriker Anatol Kaszen an die kleine Synagoge übergeben wurde.

Nach der Restaurierung haben die Gegenstände ihren alten Glanz wiederbekomme.

Nach beinahe 100 Jahren wurde die Idee der damaligen Ausstellung – die Bedeutung und die Seele der Breslauer Juden zu präsentieren – wieder aufgegriffen. Vielleicht wird sie auch einen Grundstein zur Eröffnung des jüdischen Museums in Breslau bilden?

Die Alte Synagoge zu Breslau (heute Synagoge zum Weißen Storch). Die Ausstellung ist von Montag bis Donnerstag von 15.00 bis 18.00 Uhr für die Zuschauer geöffnet. Die Eintrittskarten sind am Eingang erhältlich.

Text und Fotos Małgorzata Urlich-Kornacka