Von einer Volksabstimmung, die es nicht gab
Bis zum 25. Februar präsentiert das Museum des Teschener Landes eine Ausstellung über das für das Jahr 1920 geplante, aber nicht durchgeführte Plebiszit im polnisch-tschechoslowakischen Grenzraum.
Bis zum 25. Februar 2024 präsentiert das Museum des Teschener Landes (Muzeum Těšínska) in Tschechisch-Teschen (Český Těšín) eine Ausstellung über das für das Jahr 1920 geplante, aber nicht durchgeführte Plebiszit im polnisch-tschechoslowakischen Grenzraum. Die Ausstellung entstand im Rahmen einer bilateralen Kooperation und wurde bereits auf polnischer Seite der durch die Staatsgrenze geteilten Stadt Teschen präsentiert. Die Ereignisse der turbulenten Zeit nach dem Ersten Weltkrieg schildert sie aus länderübergreifender Perspektive abseits der national geprägten Diskurse, was nicht zuletzt der Mitwirkung polnischer und tschechischer Historiker zu verdanken ist.
Obwohl seit dem Konflikt um die staatliche Zugehörigkeit des Teschener Schlesien über 100 Jahre vergingen, weckt er sowohl im tschechischen als auch im polnischen Teil der Region immer noch Emotionen. Er bildet zudem in beiden Ländern ein wichtiges Element ihres Gründungs- bzw. Wiedergründungsmythos. Die zweisprachige, polnisch-tschechische Ausstellung präsentiert zahlreiche, zum Teil dem breiteren Publikum bisher nicht bekannte Großformatfotos und -karten aus der Zeit der Auseinandersetzung um das Teschener Schlesien. Eine gelungene Ergänzung hierzu stellen dreidimensionale Exponate dar.
Der polnisch-tschechische Konflikt um den östlichen Teil des österreichischen Kronlandes Schlesien, der 1919 nach dem Zerfall des Habsburgerreichs entflammte, verwandelte sich zeitweise in einen regulären Krieg. Prag begründete seinen Anspruch mit der jahrhundertelangen Zugehörigkeit der Region zur böhmischen Krone. Warschau sah wiederum das Ergebnis der letzten österreichischen Volkszählung als starkes Argument für den Anschluss des Teschener Schlesien an den polnischen Staat, da diese eine leichte polnischsprachige Mehrheit (54%) ergab. Im Rahmen der Pariser Friedenskonferenz beschlossen die Siegermächte 1919 die Durchführung einer Volksabstimmung, in der die Bevölkerung hätte entscheiden sollen, ob die Region zu Polen oder der Tschechoslowakei gehörten sollte. Hervorzuheben sei an dieser Stelle, dass das Plebiszit nicht nur für das Teschener Land, sondern auch Teile der Arwa und der Zips hätte umfassen sollen – zweier multikultureller Regionen der ehemaligen ungarischen Hälfte der Donaumonarchie, die 1918 ebenfalls zum Zankapfel zwischen Polen und der Tschechoslowakei wurden.
Ähnlich wie es im Vorfeld der Volksabstimmung im preußischen Oberschlesien der Fall war, wurden auch ins Teschener Schlesien internationale Schlichtungsverbände entsandt. Ihre Aufgabe, für Ruhe und einen ordnungsgemäßen Verlauf des Plebiszits zu sorgen, konnten sie jedoch nicht erfüllen. Die wachsenden Spannungen, die in gegenseitigen Anfeindungen, Streiks und terroristischen Aktionen bewaffneter Milizen mündeten, führten am Ende zu einem Verzicht auf die geplante Volksabstimmung. Obwohl beide Seiten sich konsequent siegessicher zeigten, einigten sich Prag und Warschau schließlich auf ein internationales Schiedsverfahren.
Mit der Entscheidung des Botschafterrats der Siegermächte während der Konferenz von Spa am 28. Juli 1920 wurden 56% des strittigen Gebiets der Tschechoslowakei zugesprochen. Die neue Grenzlinie beließ die für Prag äußerst wichtige Kaschau-Oderberger Bahn komplett auf tschechoslowakischer Seite, was u. a. auch eine Teilung der Stadt Teschen zu Folge hatte. Die 1920 festgelegte Grenze trennt die Region mit Ausnahme der Jahre 1938-1945 bis heute.
Mehr zu dem Konflikt über das Teschener Schlesien finden Sie hier.
Text: Dawid Smolorz