Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Der Humorist Ludwig Manfred Lommel (1891-1962) im Haus Schlesien porträtiert

Sein Lebensweg wird in der Ausstellung „ÜberLebensKünstler. Vier Künstler, zwei Generationen, ein Schicksal: Krieg und Heimatverlust 1945“ nachgezeichnet.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht – und Humor hatte der 1891 in Jauer (Jawor) geborene Ludwig Manfred Lommel zum Glück reichlich. Dieser sowie schauspielerisches Talent waren sein Kapital, das er durch zwei Weltkriege hindurch „retten“ konnte und das umgekehrt vermutlich auch ihn gerettet hat.

Wäre er den Plänen des Vaters gefolgt, wäre sein Leben wohl anders verlaufen – und ziemlich sicher hätte er weniger zu lachen gehabt.  Lommel Senior besaß in Neukirch an der Katzbach (Nowy Kościół) eine Tuchfabrik und für ihn war es selbstverständlich, dass Sohn Ludwig den Betrieb einmal übernehmen würde. Aus diesem Grund schickte er ihn nach Bremen, wo er bei einem befreundeten Kaufmann das Geschäft erlernen sollte. Und seine Zeit in Bremen war, wie Lommel einmal selbst gegenüber Journalisten bekannte, durchaus eine für seine Berufslaufbahn prägende, jedoch nicht im Sinne des Vaters. Für Wolle und Tuche interessierte sich der Fabrikantensohn nämlich eher weniger, umso mehr für das Theater. Er war, laut eigener Auskunft, seinerzeit „zuerst vor, dann hinter den Kulissen zu Gast“ und stand schließlich „als Eleve, Fach, Jugendlicher Komiker‘, auf den Brettern, die die Welt bedeuten“. Von diesen Brettern holte der Vater ihn erstmal wieder herunter und schickte ihn nach London, doch die Liebe zum Tuchhandel entwickelte er auch dort nicht, die zur Schauspielerei aber festigte sich. 1910 ging Lommel zum Militär, danach war er als Vertreter unterwegs, bevor er 1914 schließlich als Offizier eingezogen und an der Ostfront eingesetzt wurde. Mit seiner Begabung als Vortragskünstler unterhielt er seine Kameraden und brachte sie mit seinen humorvollen Darbietungen durch manch schwere Stunde.

Autogrammkarte mit persönlicher Widmung von Ludwig Manfred Lommel, 1938, Foto: Sammlung Haus Schlesien
Karriere zwischen den Kriegen

Nach Kriegsende stand der inzwischen zweifache Familienvater noch immer ohne Ausbildung da und nachdem der väterliche Betrieb die turbulenten Zeiten nicht überstanden hatte und auch das Vertretergeschäft schlecht lief, beschloss Lommel schließlich, mit dem Geld zu verdienen, was er am besten konnte: Leute unterhalten. Er zog von Dorf zu Dorf, um die Menschen mit seiner Ein-Mann-Show zu erfreuen. Über den Beginn seiner Bühnenkarriere schrieb er: „Ich war mein eigener Plakatankleber, mein eigener Billettverkäufer und Kontrolleur, mein eigener Vorhangzieher und natürlich auch mein eigener Vortragskünstler“. Bald folgten den Auftritten auf den Dörfern an Bober und Katzbach weitere Engagements in den Badeorten der Grafschaft Glatz und in Breslau. Entscheidend für seine weitere Karriere war die Entdeckung durch den Breslauer Rundfunkintendant Friedrich Bischoff, der ihn zur Schlesischen Funkstunde holte. Im Jahr 1924 trat Lommel erstmals vor ein Mikrofon, ein Jahr später bot ihm Bischoff ein eigenes Format an: Die „Runxendorfer Welle 0,5” ging auf Sendung. In dem fiktiven Ort Runxendorf waren Paul und Pauline Neugebauer zu Hause, denen Lommel in seinen zahlreichen Sketchen ebenso eine Stimme gab wie bis zu zehn weiteren Charakteren nebst allen notwendigen Geräuschen.  Paul und Pauline wurden von Sendung zu Sendung populärer. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 brach jedoch das Ende der Schlesischen Funkstunde an und damit auch das vorläufige Ende vom “Sender Runxendorf“.  Die Karriere von Lommel tat dies zunächst keinen Abbruch: Die Geschichten aus Runxendorf waren inzwischen auch auf Schallplatte zu hören. Zudem schrieb Lommel mehrere Romane und brachte „Das lustige Lommel-Buch“ und „Lache mit Lommel“ heraus. Auch als Schauspieler war er tätig, spielte in mehreren Kurzfilmen und drei Spielfilmen, darunter „Hahn im Korb“ mit. Der inzwischen in Berlin lebende Lommel wurde während des Zweiten Weltkrieges zur Truppenbetreuung herangezogen, zum Militärdienst wurde er nicht mehr einberufen.  Das letzte Kriegsjahr lebte er östlich von Frankfurt an der Oder und begab sich wie Millionen seiner Landsleute 1945 auf die Flucht.

Lommel war ein Verwandlungskünstler und sprach alle Charaktere aus Runxendorf selbst, Fotoalbum aus der Sammlung Haus Schlesien
Bundesverdienstkreuz für Flüchtlingshilfe

Nach dem Zweiten Weltkrieg trat Lommel zunächst wieder auf kleinen Bühnen auf, konnte aber auch schon bald wieder mit seinem “Sender Runxendorf” auf Sendung gehen. Von den Einnahmen, die er mit seinen Auftritten verdiente, floss ein großer Teil in das von ihm gegründete Lommel-Hilfswerk, das half, die Not der Vertriebenen zu lindern. Für sein Engagement für die Kriegsversehrten und Vertriebenen wurde ihm 1956 das Bundesverdienstkreuz verliehen. Er leistete nicht nur finanzielle Hilfe, sondern wollte mit seinen humorigen Auftritten auch Trost spenden: Für viele der heimatlos gewordenen Schlesier war er nach der Vertreibung eine Identifikationsfigur. Seine Bücher wurden in der Nachkriegszeit wieder neu aufgelegt und fehlten in kaum einem schlesischen Bücherschrank, die Sketche wurden in verschiedenen Sendern gespielt und auf Schallplatte verkauft. Mit seinem Humor wollte Lommel auch Brücken schlagen zwischen Einheimischen und Vertriebenen. Das gelang ihm nur bedingt. Es waren überwiegend seine Landsleute, die ihn sehen und hören wollten. Von der alteingesessenen bundesdeutschen Gesellschaft wurde er mehr als Teil des Vertriebenenproblems wahrgenommen, als dass man seine komischen Talente erkannte. Seinen Landsleuten ein Stück Heimat zu geben, interessierte ihn jedoch mehr als sein persönlicher Erfolg.

Lommel bekommt von dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Heinrich Hellwege das Bundesverdienstkreuz überreicht, Foto: Sammlung Haus Schlesien

Sein Humor, den er durch Krieg und Flucht zum Glück nicht verloren hatte, hat Lommel nicht nur seine wirtschaftliche Existenz gesichert, als Ein-Mann-Betrieb konnte er schnell wieder seine Arbeit aufnehmen, sondern hat ihn auch die Schicksalsschläge des Lebens besser ertragen lassen. Aber nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Landsleuten hat es geholfen. Damit hat Lommel ganz im Sinne seines Landsmann Otto Julius Bierbaum (1865–1910) gehandelt, der einst äußerte: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“

Ludwig Manfred Lommel starb im September 1962 nach einem Auftritt in Bad Nauheim.

Lommels Lebensweg sowie die Biographien drei weiterer schlesischer Kunstschaffender zeichnet die Ausstellung „ÜberLebensKünstler. Vier Künstler, zwei Generationen, ein Schicksal: Krieg und Heimatverlust 1945“ nach, die noch bis 7. September 2025 im HAUS SCHLESIEN in Königswinter zu sehen ist und die Spuren thematisiert, die Krieg, Flucht und Vertreibung 1945 im Lebenslauf dieser vier Künstler hinterlassen haben.

Text: Silke Findeisen, Haus Schlesien
Bilder: Haus Schlesien